Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
jetzt im Flur.
Tag 9
Ich bemerke eine neue, merkwürdige Leichtigkeit, die den Tag bestimmt. Fühle mich grundlos heiter. Das hatte ich schon seit Jahren nicht mehr. Um zu nörgeln, muss man jede Kleinigkeit ernst nehmen; wenn man nicht mehr nörgelt, muss man über Kleinigkeiten lachen. Ich bin zuweilen sogar leicht euphorisch, obwohl es keine Erklärung dafür gibt.
Es macht Spaß, ein Geheimnis zu haben. Das Leben scheint auf einmal so übertrieben freundlich zu sein. Schon morgens merke ich, wie angenehme Gefühle den Platz einnehmen, den bis jetzt die ständige Nörgelbereitschaft besetzt hielt.
Heute Morgen beim Frühstück sprach er es an: »Was ist mit dir? Bist du okay?«
»Wieso?«
»Du bist irgendwie anders. Warst du beim Friseur?«
Ich lachte und küsste ihn, und er runzelte sorgenvoll die Stirn. Ich glaube, er denkt, jetzt ist es soweit, sie hat einen anderen.
Den ganzen Tag schaute er mich merkwürdig an. Ich glaube fast, er hat’s kapiert. Jetzt muss er nur noch von selbst auf die Idee kommen, dass er ein bisschen was im Haushalt tun könnte, wie er versprochen hat. Ich fühle mich zunehmend wie ein buddhistischer Mönch. Wenn nicht mehr dazu nötig ist, spirituell zu leben, als auf die Nörgelei zu verzichten, könnte ich das auch.
Tag 10
Andererseits, es gibt schon ein Unterschied zwischen mir und einem buddhistischen Mönch. Mönche werden immerhin von allen bewundert. Alle finden sie cool. Filmstars besuchen sie und setzen sich für sie ein. Ich aber – niemand weiß, was ich hier durchmache. Richard Gere jedenfalls wird nicht jeden Moment auftauchen und zu Eric sagen: »Hey, Buddy, schau, was deine Freundin für dich durchmacht.«
Heute Morgen kam es ganz dicke. Ich hatte eine Vase bei einem eBay-Händler ersteigert, und sie kam kaputt hier an. Ich rief ihn sofort an, aber er wollte sie mir nicht ersetzen. Er hat mich am Telefon nur ausgelacht und aufgelegt. Dreimal hintereinander. Ich hatte stundenlang einen dicken Kloß im Hals vor Ärger. Mein Körper gab mir deutlich zu verstehen, dass, wenn er schon mal massenhaft Adrenalin ausgeschüttet hat, dies auch irgendwo hinmüsse. Heute war da nichts mit »den Ärger einfach ausschalten.« Ich ging ins Badezimmer und klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Dann habe ich versucht, mich selbst im Spiegel ein bisschen aufzumuntern: »Du schaffst das, durchhalten, nicht aufregen …« Es half nicht besonders, vielleicht weil ich im Spiegel mit den Zahnpastaflecken aussah, als hätte ich eine schlimme Pigmentstörung. Meine einzige Hoffnung war, dass Eric heute endlich merkt, was los ist, und mir hilft, die Wohnung wieder ein bisschen auf Vordermann zu bringen. Das wäre echt der richtige Tag dafür.
Und tatsächlich: Er hat etwas bemerkt und etwas getan. Nur nicht das, was ich wollte. Am Abend kam er wieder mit einem Strauß Blumen.
Zu allem Überfluss begann er, mir Avancen zu machen. Er dachte wohl: Kein Nörgeln + Blumenstrauß = Sex.
»Nicht. Heute. Liebling. Ich. Habe. Kopfschmerzen.«
»Och komm«, sagte er. »Du kannst doch auch mal was für die Beziehung tun.«
Das war’s.
Ich schrie. Ich schrie ihn an, wie ich ihn noch nie angeschrien habe. Ich nannte ihn einen unsensiblen, blinden Klotz, der überall seine Bartstoppeln verteilt, und überhaupt, putzt der Mann sich die Zähne mit einer Zahnbürste oder einem Propeller? »Und noch was! Das Experiment ist hiermit vorzeitig beendet!« Mir doch egal, dass er nicht wusste, wovon ich sprach. Dann schmiss ich ihm die Blumen an den Kopf, marschierte ins Bad und putzte bis drei Uhr morgens.
Als ich wieder rauskam, schlief er.
Das war das Ende meines Experiments.
Hätte nicht gedacht, dass es so schwer ist, nicht mehr zu nörgeln!
Sich einfach nicht mehr zu beschweren, reicht nicht. Die alten Instinkte fordern ihr Recht. Ein neues Hobby muss her, eine Alternative, eine neue Religion. Irgendwas. Ansonsten ist man schnell in Gefahr, aller Missachtung und jedem Blödsinn gegenüber so freundlich zu bleiben, bis man sich wie ein Fußabtreter fühlt. Verdammt, es war leichter, mit dem Rauchen aufzuhören!
Alleine ist das nicht zu schaffen.
Die folgenden zwei Tage meckerte ich zwar nicht mehr, aber nicht aus Absicht, sondern weil ich mit Migräne im Bett lag.
15 . Dem Liebsten die Leviten lesen
Wie mäkel ich mir den perfekten Partner zurecht?
Das Nörgel-Tagebuch meiner Freundin hatte mich arg mitgenommen. Beinahe hätte sie das Meckern ganz aufgegeben! Was würde aus unserer
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