Nörgeln!: Des Deutschen größte Lust (German Edition)
weisen.«
»Das mögen aber andere Menschen nicht«, meinte sie. »Mit solch einer Idee – du sollst dich ändern, um mir zu gefallen –, stelle ich mich automatisch über den anderen. Er soll sich anstrengen und auf mein Niveau kommen. Ich verlasse die Augenhöhe. Der andere spürt das Ungleichgewicht und versucht, die Balance wieder ins Reine zu bringen. Nicht aber, indem er dem Wunsch des anderen nachkommt, sondern indem er heftig Widerstand leistet. Das ist die Schleife, die das Nörgeln erzeugt. Man versucht immer hilfloser und immer nörgelnder, den anderen zu verändern.«
»Was heißt hier hilflos?«, bemerkte ich. »Immerhin sage ich, was ich will. Just letzte Woche habe ich ihr gesagt, sie soll eine Brustvergrößerung vornehmen lassen, und ich habe ihr auch eine Broschüre hingelegt, wo man sich ganz billig in Rumänien die Beine verlängern lassen kann … Wer will schon sein Leben lang immer zu anderen aufschauen müssen? Aber ich habe ihr auch gesagt, sie soll ruhig nur mit der Brustvergrößerung anfangen, wir wollen nichts überstürzen. Ich bin kein Unmensch.«
»Wie lange arbeiten Sie schon an diesem Projekt?«
»Seit wir uns kennen – ist ein paar Jahre her …«
»Und, hat es bis jetzt was gebracht?«
»Ich glaube, ich bin meinem Ziel näher als je zuvor.«
»Das Paradoxe daran ist, dass der andere sich widersetzt, und indem er das tut, schafft er keine Balance, sondern ein neues Ungleichgewicht«, sagte Stützle-Hebel. »Etwa: ›Ich bin die Stärkere, weil er sich an mir die Zähne ausbeißt. Sein Nörgeln ist ein Beweis, dass er es nicht schafft, mich zu ändern.‹«
Da war was dran. Die Broschüre lag immer noch da, wo ich sie hingelegt hatte, aber jetzt waren Schnurrbärte an alle darin abgebildeten Ärzten angemalt.
»Ich hatte einmal ein Paar in Behandlung, das dreißig Jahre verheiratet war«, erzählte mir Fritz B. Simon. »Er hat gern getrunken, und sie hat sich darüber aufgeregt und immer wieder an ihm herumgenörgelt. Ich fragte sie: ›Wann haben Sie beschlossen, Ihren Mann vom Trinken abzubringen?‹ Sie sagte: ›Dreißig Minuten, nachdem wir uns kennengelernt hatten.‹ Und das versucht sie nun seit dreißig Jahren.«
Das machte mir Hoffnung. »Ich bin erst seit fünfzehn Jahren dabei«, sagte ich. »In weiteren fünfzehn könnte ich es schaffen.«
Meine Paartherapeuten waren skeptisch.
»Sie werden sowieso nur das von ihr bekommen, was sie freiwillig gibt«, behauptete Simon. »In Paarbeziehungen ist es nicht möglich, den anderen zu ändern. Nur sich selbst kann man ändern.«
»Aber mit mir selbst bin ich ja eigentlich zufrieden«, sagte ich.
»Und sie ist mit sich zufrieden«, meinte er. »Wenn man damit nicht leben kann, muss man sich Konsequenzen überlegen und einen anderen Partner suchen. In einer Paartherapie würde ich fragen: ›Was würden Sie tun, wenn durch einen Gentest bewiesen ist, dass er sich nicht ändern kann? Sich trennen?‹ Die meisten sagen, na ja, er schmeißt halt die Socken auf dem Boden, so schlimm ist das nun auch wieder nicht, dass ich deswegen gehen würde.«
Ich mochte die Richtung nicht, die dieses Gespräch nahm. »Aber wenn ich aus der Beziehung aussteige, muss ich bei der nächsten Frau wieder von vorn anfangen. In diese Beziehung habe ich schon soviel investiert. Ich bin so nah dran …«
Doch auch von den anderen Paartherapeuten konnte ich keine Hilfe erwarten.
»Eben das ist die Selbsttäuschung«, kommentierte Stützle-Hebel. »Man erwartet mehr vom Partner als von sich selbst. Man hat ja schon den Partner, den man verdient. Sie haben keine Angelina Jolie, weil Sie kein Brad Pitt sind.«
Das war ein Schlag unter die Gürtellinie. »Äußerlich vielleicht nicht«, gab ich zu, »aber auch innere Werte zählen. Innerlich bin ich schon wie Brad Pitt. Sogar besser.«
»Sie müssen akzeptieren, dass Sie nicht der Mann sind, der Angelina Jolie zur Partnerin haben kann«, wiederholte sie leicht besorgt.
Jetzt war ich völlig deprimiert. »Was sind Sie für eine Psychotherapeutin«, beschwerte ich mich. »Sollten Sie mich nicht aufbauen? Sollten Sie nicht mein Selbstbild aufpäppeln? Ist das nicht Ihr Job? Jetzt sagen Sie, ich soll akzeptieren, dass ich nie der Mann sein werde, der ich sein will!«
Fritz B. Simon legte sogar noch einen drauf. »Sie sind aber nicht der perfekte Partner. Niemand ist der perfekte Partner.«
»Sie wollen, dass ich meine Ziele und Träume aufgebe«, klagte ich. »Sie wollen, dass ich nicht
Weitere Kostenlose Bücher