Noir
uns wieder ineinander.»
Amoke lächelte. «Unwahrscheinlich. Ihr seid dann nicht mehr miteinander verbunden als mit jedem anderen Menschen.»
«Dann besteht eine Chance.»
Amokes Augenbrauen zuckten, als unterdrücke sie eine anschwellende Wut, doch ihr Lächeln blieb unerschütterlich. «Also ist das eure Entscheidung: Ihr wollt beide eine saubere Transplantation.»
«Du schwörst, dass nichts schiefgeht.»
«Alles kann schiefgehen, Nino. Aber ich schwöre, mein Bestes zu geben, euch beiden ein neues Leben zu beschaffen.» Sie tauchte einen zweiten Keks in ihr Milchglas. «Ich hatte dir allerdings gesagt, dass du dich erst als würdiges Mitglied der Mentorenschaft erweisen musst.»
Nino nickte misstrauisch. «Was soll ich tun?»
Sie schob sich den aufgeweichten Keks in den Mund. «Es wäre mir lieber, du wärst entspannter, wenn ich mit dir darüber rede.»
«Ich bin entspannt.»
«Außerdem», fuhr Amoke kauend fort, «möchte ich sehen, ob der Geist wirklich zu dir gehört. Es kann ja sein, dass sie nur so tut und in Wirklichkeit noch zu Monsieur Samedi hält.»
«Was möchtest du?»
«Wenn du STYX nimmst, sollte dein Geist sichtbar werden. Weil dein Empfinden sich erweitert und auch stärker in sie fließt, sofern sie wirklich von deiner Liebe lebt.»
Nino erwiderte ihren glatten, offenen Blick und spürte nicht, was in ihr vorging. «Wie kannst du von ihm STYX haben?»
Sie lachte. «Du glaubst doch nicht, dass Monsieur Samedi Erfinder des Stoffes ist? Er hat das Geheimnis, wie man STYX in diese Welt extrahiert, von der Mentorenschaft gestohlen, um es als gemeine Droge zu verkaufen. Was ich dir jetzt anbiete, ist viel reiner als das, was du von Monsieur Samedi kennst.»
Nino rieb sich über das Gesicht. So viele verschiedene Gefühle waren in ihm, dass er sich nicht in der Lage fühlte, Entscheidungen zu fällen. «Ich möchte keine Drogen nehmen.»
« STYX ist kein Rauschgift. Es ist das Rauschen.»
«Was heißt das?»
Amoke beobachtete ihn geduldig. « STYX ist, was die Lebenden von den Toten trennt. Es ist der schmale Grat, auf dem die Träumenden zwischen Wachsein und Schlaf wandern.»
«Und weniger blumig ausgedrückt, Metamphetamin? Opium? Was?»
«Es ist kein Stoff aus dieser Welt, Nino. Es ist nicht pflanzlich, nicht chemisch, nicht synthetisch. Es ist das Überirdische, von dem wir alle einen Tropfen in uns tragen.» Sie beobachtete ihn aufmerksam, während sie fortfuhr. «Du bist aufgewühlt, Nino. Und zwar zu Recht, wenn man bedenkt, was dir gerade alles wiederfährt. Und die Aufgabe, die die Mentorenschaft dir zuteilt, wird dich vielleicht noch mehr aufwühlen. Vertraue mir: Mit ein wenig STYX wirst du klar und bei Bewusstsein bleiben.» Sie erhob sich. «Warte hier, ich hole es.»
Ihre nackten Füße huschten über die Steinfliesen und entfernten sich mit Treppengetrappel.
Noir hielt Ninos Hand fest umschlossen. Er bot ihr seine Milch an, und sie nahm das Glas, ohne zu trinken.
«Da ist noch jemand im Haus.»
Nino spitzte die Ohren. «Wer?»
«Ich weiß nicht. Vielleicht …» Sie beendete den Satz nicht, offenbar in ihren eigenen Gedanken verlaufen.
Amoke kam die Treppe wieder herunter und erschien mit einer schwarzen Box und einer Silberdose. Beides legte sie auf den Tisch neben die Kekse, während sie sich auffällig die Nase rieb und schniefte.
«Hier.» Sie reichte Nino ein Metallröhrchen und öffnete die Dose. Wie bei Monsieur Samedi war reines STYX darin, bläulich leuchtend wie Sternensplitter.
«Nimm es. Als Beweis, dass du jetzt mit Monsieur Samedis Geistermädchen verbunden bist. Sonst kann ich dir nicht vertrauen.»
Nino wusste, dass ihm keine Wahl blieb. Amoke konnte alles von ihm verlangen, er würde es tun, wenn Noir nur ihre Transplantation bekam.
Er setzte das Röhrchen an und zog.
«Auch mit dem anderen Nasenloch», befahl Amoke.
Nino biss die Zähne zusammen und gehorchte. Fast augenblicklich spürte er die Lieblichkeit des Rauschs in sich knospen, eine betörende Schlafblüte, die ihre Blätter über die Realität faltete. Noirs Hand in seiner fühlte sich wärmer an.
Amoke, die sich noch immer mit dem Zeigefinger die Nase rieb, blinzelte mehrmals. «Da sitzt sie ja, dein Geistermädchen. Ich sehe sie. Beeindruckend. Ich kenne kaum einen Mentor, dem es gelungen ist, einem anderen seinen Geist abspenstig zu machen.»
Noir duckte sich ein wenig, als sei Amokes Blick etwas Gefährliches. Eine Weile starrte Nino sie durch die dichter werdenden Nebel
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