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Noir

Noir

Titel: Noir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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HEGEL . Natürlich nicht Mona, sie war ja nur die Tochter, aber Nino hatte irgendwie ihren Namen am Schild erwartet. Er klingelte.
    Nichts geschah. Sie warteten, während der Regen im Efeu knisterte. Noir sah sich immer wieder um, aber sie fragte nicht, warum sie hergefahren waren.
    Als Nino schon bei Julia anrufen wollte, ob sie womöglich ein anderes Haus meinte, öffnete sich die Tür.
    Amoke erschien. Sie kam den kleinen Steinpfad zu ihnen gelaufen und kräuselte die Stirn wegen des Regens. Sonst schienen die Kälte und Nässe ihr nichts auszumachen – sie trug nur einen violetten Schlafanzug und war barfuß.
    «Nino.» Sie blieb vor dem Tor stehen. Kurz glitt ihr Blick zur Seite, aber sie schien Noir nicht wahrzunehmen.
    «Entschuldige, dass wir einfach so aufkreuzen. Es ist was passiert.» Er drehte sich zu Noir um, die schon begriffen hatte und eine Packung Zigaretten aus ihrer Hosentasche zog. Das Feuerzeug spuckte eine Flamme, der Rauch stob in Noirs Lungen und machte sie sichtbar für Amoke.
    Das Lächeln rutschte Amoke ein Stück herunter, fing sich aber noch in den Mundwinkeln. «Mach die Zigarette aus. Rauchen ist bei uns nicht erlaubt.»
    Noir ließ gehorsam die Kippe fallen, während Amoke das Tor öffnete. Sie folgten ihr zum Haus. Nino bemerkte, dass Gartenzwerge im Gras neben der Tür standen. Vogelfutter hing in den halbkahlen Bäumen.
    Auch im Inneren des Hauses wirkte alles fast zu gutbürgerlich für die noble Gegend: Rechts lag eine Küche mit rustikalen Holzvertäfelungen, links führte eine schmucklose Treppe nach oben, geradeaus eröffnete sich ein Wohnzimmer, wo Zimmerpflanzen, Sektgläser und ein Fernseher in Schrankwänden ausgestellt wurden. Amoke führte sie zu einer Couchgarnitur aus öligem schwarzem Leder. Kissen mit verschieden bedruckten Bezügen versuchten erfolglos, Gemütlichkeit zu verbreiten.
    «Wollt ihr was trinken?», fragte Amoke.
    Das Leder knautschte unter Nino wie ein Magen, der ihn verdauen wollte. «Nein, danke.»
    Auf dem Glastisch stand ein Aschenbecher. «Ich dachte, hier darf man nicht rauchen.»
    «Mein Vater raucht manchmal Zigarre.» Amoke blieb in der Tür zwischen Küche und Wohnzimmer stehen. «Wollt ihr wirklich nichts? Einen Kaffee? STYX für die Nerven?»
    «Du – du hast welches da?»
    «Du siehst aus, als könntest du ein bisschen Entspannung vertragen.»
    «Ja. Ich meine nein. Wo hast du es her?»
    Mit einem Schulterzucken ging Amoke in die Küche. Gläser klirrten. Als sie wiederkam, trug sie ein Tablett mit Milch und Keksen. Eins der Gläser gab sie Nino, das andere trank sie selbst. Noir hatte sie vergessen, unwissentlich oder mit Absicht. «Hatte ich dir nicht gesagt, du darfst weder Monsieur Samedi noch seinen Geistern von mir erzählen?»
    «Das habe ich auch nicht.»
    «Du hast seinen Geist mitgebracht. Weißt du, was das bedeutet? Monsieur Samedi hat seine Geister dazu verpflichtet, jeden anderen Mentor zu töten. Das Mädchen neben dir ist eine Lebensgefahr für mich. Das wusstest du sicher nicht.»
    Nino spürte, wie Noir die Fäuste im Schoß ballte.
    «Noir ist nicht mehr Monsieur Samedis Geist.»
    «Sie gehört jetzt also dir.»
    Er schüttelte den Kopf. «Sie gehört
zu
mir. Deshalb habe ich sie hierhergebracht. Du hast gesagt, du kannst ihr helfen, wieder ein Mensch zu werden.»
    «Ich habe gesagt, du sollst auf weitere Anweisungen von mir warten.»
    «Ja. Es tut mir leid. Aber ich konnte nicht mehr warten.» Er erzählte knapp, was vorgefallen war. Amoke hörte mit ausdruckslosem Gesicht zu, ohne ihn zu unterbrechen. Schließlich sagte sie: «Also wollte Monsieur Samedi dich töten. Und du hast ihm seinen Geist gestohlen.»
    «Sie ist geflüchtet.»
    «Sie ist jetzt von dir abhängig.» Amoke nahm einen Keks und tunkte ihn in ihr Milchglas. Dann saugte sie geräuschvoll die weiche Masse auf.
    «Kannst du ihr helfen?»
    «Ich kann versuchen, ihr eine neue Seele einzuflößen. So wie dir, damit du deinem baldigen Tod entgehst. Aber du weißt, was es bedeutet, sein Schicksal auszutauschen.»
    «Man verliert jede Liebe, die man für jemanden empfunden hat.»
    Amoke warf sich die Krümel in ihrer Handfläche in den Mund und nickte. Ein paar Krümel blieben an ihrer Unterlippe kleben.
    Einen Moment schwieg Nino, konnte nicht atmen. Er wusste, dass ein Leben, in dem er weder Katjuscha noch Noir liebte, ihm nicht viel wert sein würde. Aber es ging nicht nur um ihn, sondern auch um Noir.
    «Vielleicht», sagte er mühsam, «verlieben wir

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