Nomaden des Weltalls
Sie stehen so verdammt über den Dingen.«
»Die solare Zivilisation hat das Individuum zur Grundlage, nicht die Familie oder den Clan oder den Staat oder sonst irgend etwas«, sagte er. »Unsere Psycho-Entwicklung führt zu einer bestimmten Haltung, die ... aber das ist im Augenblick ohne Bedeutung. Im übrigen bin ich sowieso nicht typisch.«
Sie schob ihre Arbeit beiseite und fuhr sich mit der Hand durch das Haar. »Sie haben wohl alles genau berechnet, wie?« fragte sie vorwurfsvoll. »Sie wissen, wie die verborgene Maschinerie in Ihnen läuft und wann Sie welchen Knopf in Ihrem Inneren drücken müssen. Ja, ich kann schon verstehen, warum Sie alle Einzelgänger sind – und die Cordys am allermeisten.«
»Jeder Individualist ist ein Einzelgänger«, sagte er, »aber in unserer Gesellschaft bringt ihn das nicht in Gegensatz zu anderen oder zu ihm selbst. Für uns ist die Einsamkeit etwas ganz Natürliches.«
Sie zuckte ein wenig zusammen. »Sie haben auch mich schon genau analysiert, nicht wahr?« fragte sie ein wenig zögernd.
»Überhaupt nicht. Und selbst wenn ich könnte, würde ich es nicht tun.«
»Machen wir ein wenig Musik«, sagte sie und ging zu den Tonbändern hinüber. Er sah ihr nach und las einige der Titel. Eine Menge alter terrestrischer Musik war darunter.
Nicki wählte ein Band. »Sie kennen die Ouverture von 1812? «
»Natürlich«, antwortete er.
Aus den Tönen klang die Einsamkeit der endlosen Wintersteppe. Nicki wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. »Erzählen Sie mir von der Erde. Wie sieht sie aus?«
»Das wäre ein Dauerjob«, lächelte er. Er fragte sich, was er ihr antworten sollte. Konnte er ihr sagen, daß die Erde viel weniger ein Planet mit seiner Bevölkerung war als ein Traum? »Wir sind keine Utopie«, sagte er vorsichtig. »Wir haben unsere Probleme, wenn es auch nicht dieselben sind wie Ihre.«
»Und was tun Sie?« fragte sie. Sie trat einen Schritt zurück, betrachtete prüfend den eben modellierten Drachenkopf und zerknetete ihn dann mit einem Ausruf des Mißfallens wieder. »Was wollen Sie wirklich vom Leben?«
»Das Leben selbst«, erwiderte er. »Und das ist kein Paradoxon. Erfahrung, Verständnis, Harmonie – aber auch Kampf. Das sind die Grundmuster unseres Wesens.«
Er sprach weiter, vermied Abstraktionen, erzählte hauptsächlich von Einzelheiten des Alltaglebens, von Ereignissen und Leuten und von dem Land, wo sie lebten. Nach einer Weile vergaß Nicki ihre Arbeit und hörte ihm wortlos zu.
9 – Raumschiff – für wen?
Bei voller Reisegeschwindigkeit waren es etwa drei Wochen bis zu Erulan. Joachim nützte die Zeit. Er mußte seine Mannschaft davon in Kenntnis setzen, daß dies keine gewöhnliche Entdeckungs- oder Handelsreise war. Er setzte gezielte Gerüchte in Umlauf, bis allgemein bekannt war, daß die Peregrinus den Auftrag hatte, ein fremdes, vielleicht feindliches Gebiet auszukundschaften. Die Gefahr herunterzuspielen und die Erwartung auf möglicherweise gewaltige Profite zu wecken – all das gehörte zu Joachims Verschleierungstaktik.
Sie waren schon nahe am Ziel, als er bekanntmachte, wegen der Schwierigkeit der bevorstehenden Verhandlungen und der Möglichkeit eines Angriffs von seiten ihrer Gastgeber werde es auf dem Planeten keine Bewegungsfreiheit geben.
Trevelyan war ein schwierigeres Problem. Schon zu Anfang der Fahrt besprach sich Joachim mit dem Koordinator. »Die Wahrheit wird Ihnen nicht gefallen«, erklärte er, »aber wir sollten den Tatsachen ins Gesicht sehen.«
»Ich habe einiges über Erulan gehört.«
»Lassen Sie mich am Anfang beginnen.« Joachim stopfte sich sorgfältig seine Pfeife. »Vor etwa fünfundsiebzig Jahren wurden zwei neue Schiffe gebaut, die Hadji und die Mountain Man. Es handelte sich um ziemlich ehrgeizige junge Leute, die der Ansicht waren, das normale Nomadenleben sei nicht ergiebig genug für sie. Andererseits hatten sie auch nicht vor, sich auf irgendeinem Kolonie-Planeten niederzulassen. Und nun war da Erulan, diese barbarische Welt. Mit modernen Waffen war es nicht schwierig, sie zu erobern. Jetzt sitzen sie auf Erulan als Machthaber eines Planeten.«
»Eroberung.« Aus Trevelyans Mund klang das Wort bitter, ja obszön.
»Nun, ganz so schlimm ist es auch wieder nicht. Sie haben nur das mit den Eingeborenen gemacht, was die Eingeborenen selbst miteinander machten. Natürlich war den anderen Nomaden klar, daß das Ganze zu großen Schwierigkeiten mit der Union führen konnte, und sie erließen
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