Nomaden des Weltalls
Vergnügen sah Trevelyan sie einen langen Augenblick an. Ihm war, als liefe ein kleiner Schauder über ihre weiße Haut. Auch sie schien zutiefst bedrückt und verängstigt zu sein. Jetzt umfaßte sie Seans Knie.
Nun, dachte er, es ist ihr Problem. Und wohl auch Seans Problem. Sie ist zu hübsch für meinen Geschmack.
Er ging zu Nicki und beantwortete ihre Fragen über seinen gegenwärtigen Status und seine Absichten. Die Vase, die da Gestalt annahm, hatte die Form von zwei kämpfenden Drachen. »Sehr schön«, sagte er. »Was werden Sie damit tun?«
»Ich gieße sie in Bronze, und dann verkaufe ich sie oder tausche ich sie gegen etwas anderes«, antwortete sie ohne aufzusehen. Sie hatte etwas Starkes, Sinnliches an sich, was sie um Welten von Ilaloa unterschied, dachte er.
»Freut mich, daß Sie hier sind«, fuhr sie fort. »Vielleicht. Was sind Ihre nächsten Pläne?«
»Ich möchte mich hier mit allem vertraut machen und ein bißchen nachdenken. Ich habe die Kunst der Nomaden studiert und bin überzeugt, daß sie etwas ganz Neues darstellt. Auch ihre Literatur ist ganz anders als unsere.«
»Viel haben wir nicht, bis auf die Balladen«, sagte sie.
»Das genügt. Bedenken Sie, wie verschieden amerikanische Folk-Music von europäischer Volksmusik war ...« Sie sah ihn etwas verständnislos an und nickte dann. »Ich möchte gern einmal so etwas hören, wenn sich Gelegenheit dazu bietet.«
»Nun, die ist schon da«, sagte Sean und legte seinen Raumanzug weg. Er nahm eine Gitarre von der Wand und fuhr mit den Fingern über die Saiten. Dann stimmte er eine Ballade an, das ewig neue Lied von der treulosen Geliebten ...
– ›Nomade‹, sagte sie zu mir,
Ich kann nicht mit dir gehn.
Die Sterne, die sind kalt und grau,
Und wilde Winde wehn.
Sein ruheloses Wanderlied
Der Sternenwind uns sang,
Blies welke Blätter hoch hinauf.
Mir wurd ums Herz so bang.
Er blies uns fort von dieser Welt,
Hinaus in dunkle Nacht,
Dorthin, wo stumm am Himmel steht
Der Sterne tote Pracht. –
Sean verzog das Gesicht. »Ich hätte nicht gerade dieses Lied singen sollen.«
»Ein andermal«, sagte Nicki. Etwas zu eilig wandte sie sich dem Solarier zu. »Ich wußte nicht, daß Sie sich mit solchen Dingen beschäftigen.«
»Bei meiner Arbeit«, antwortete Trevelyan, »ist alles von Bedeutung, und die Künste sind oft die höchstentwickelte symbolische Form einer Kultur – und damit der Schlüssel zu ihrem Verständnis.«
»Denken Sie ununterbrochen an Ihre Arbeit?« fragte sie.
»Nein, nicht ununterbrochen«, lächelte er. »Gelegentlich muß man auch einmal essen und schlafen.«
»Ich möchte wetten, daß Ihr Gehirn ständig arbeitet«, sagte sie.
Er antwortete nicht. In gewisser Weise hatte sie recht.
Ilaloa stand mit geschmeidiger Bewegung auf. »Ich bitte um Vergebung«, sagte sie. »Ich glaube, ich gehe jetzt in den Park.«
»Ich komme mit«, sagte Sean. »Ich bin es müde, hier 'rumzusitzen. Wollt ihr beide auch mitkommen? Wir könnten da zusammen ein Bier trinken.«
»Jetzt noch nicht«, sagte Nicki. »Erst muß diese Vase fertig werden.«
»Dann werde ich Ihnen Gesellschaft leisten, wenn ich darf«, sagte Trevelyan.
Sean sah so erleichtert drein, wie es die Höflichkeit noch erlaubte. Hand in Hand gingen er und Ilaloa hinaus. Trevelyan ließ sich in einen Sessel fallen. »Ich möchte nichts tun, woran man hier Anstoß nimmt, Nicki«, sagte er. »Wenn ich Ihren Verhaltenskodex verletze, sagen Sie es mir bitte.«
»Sie haben nichts getan, was anstößig wäre. Das Lied hat Sean und Ilaloa nachdenklich gemacht. Das ist alles.« Nicki erklärte kurz die Einzelheiten.
»Ich verstehe«, nickte er. »So etwas ist vielleicht nicht gut. Selbst wenn man vom sozialen Druck einmal absieht – sie können ja keine Kinder haben. Und in einer Gesellschaft wie Ihrer, deren Grundelement die Familie ist, ist das von ungemein großer Bedeutung.«
»Nun, ich möchte mich da nicht einmischen«, sagte das Mädchen. Ihre Stimme klang bekümmert. »Sean hat sowieso noch nie Kinder gemocht. Und er braucht jetzt einfach etwas, um nicht ständig an diese andere Frau denken zu müssen. Ilaloa – ich weiß nicht. Hier an Bord ist sie nicht glücklich. Doch scheint sie sich mit der Zeit einzugewöhnen. Vom Wesen her scheint sie sehr nett zu sein – ein wenig zurückhaltend, aber nett.«
»Es ist ihr Leben«, stimmte er achselzuckend zu.
Sie sah ihn lange an. »Ich glaube, Ilaloa hat Sie gar nicht so falsch eingeschätzt. Sie ...
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