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Nomadentochter

Titel: Nomadentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waris Dirie
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musste dann eins der Kinder den
dhill
rütteln. Wenn Mutter am Nachmittag nach Hause kam, schaute sie oben durch eine Öffnung, um das Ergebnis zu überprüfen. Quoll Milch durch das Loch, war es noch nicht so weit. Drang jedoch nichts heraus, so war die Butter fest und fertig zubereitet. Mama öffnete den Korb und holte die Klumpen
subaq
, die sich am Boden und an den Seiten festgesetzt hatten, heraus. Es ist eine wundervolle Butter! Die restliche Milch gab sie uns zu trinken. Wenn meine Mutter
subaq
machte, war das immer ein besonderer Tag, weil wir oft nicht genug Milch hatten, um ihn zuzubereiten. Man verwendet
subaq
zum Fleischbraten und als Zutat zum Kochen. Wir gaben ihn in unsere Fladen und in den Tee, nahmen ihn als Gesichts- und Körpercreme und für die Haare. Meine Mutter massierte ihn in die Babyhaut ein, damit sie glatt und weich blieb.
    Eines schönen Herbsttages, als ich mich gerade bei Danas Familie aufhielt, band ich mir Leeki in einem Baumwolltuch auf den Rücken. Damals war er ungefähr drei Monate alt. Es blieb ein kühler Wind, deshalb zog ich mir auch meine grüne Jacke über. Meine Brüder und Vettern hatten es immer geliebt, von mir auf dem Rücken herumgetragen zu werden, und ich wusste noch, wie es ging. Ich nahm ein buntes afrikanisches Tuch, meinen
chalmut
. Das ist ein fest gewebter Stoffstreifen, ungefähr so lang wie ein Tischtuch, aber nicht so breit. Mein hellgelber
chalmut
hatte ein grünrotes afrikanisches Muster. Ich beugte mich vor und legte mir Aleeke vorsichtig auf den Rücken. Man muss sich die Arme des Babys unter die Achselhöhlen stecken, damit sie nicht herunterfallen, während man das Tuch um sich und das Kind wickelt. Man führt es über eine Schulter und unter dem anderen Arm durch und bindet es zwischen den Brüsten zusammen. Es ist bequem, nicht schwer, und man spürt bei dieser Nähe jeden Atemzug von dem Baby. Ich werde nie verstehen, warum die Leute ihre Kinder ganz allein in einem Kinderwagen liegen lassen. Aleekes Großmutter sagte noch vor seiner Geburt, wir müssten einen kaufen.
    Aber ich wandte ein: »Ich glaube nicht, dass wir einen brauchen.«
    Sie blickte mich überrascht an. »Wie meinst du das? Wie willst du denn mit dem Baby einkaufen oder spazieren gehen?«
    »Weißt du, ich werde mein Kind auf dem Rücken tragen.«
    Daraufhin entgegnete sie: »Hör zu, Waris, nimm meinen Rat an. Das ist dein Erstgeborenes, und du weißt wirklich nicht, was du tust. Man braucht einen Kinderwagen! Du kannst das Baby nicht ständig herumschleppen.«
    Ich sagte: »Ja, hier handhabt ihr die Dinge so, aber wir tragen unsere Kinder anders.«
    Trotzdem kaufte sie einen Kinderwagen – einen großen, grauen, hässlichen Kasten –, den ich so furchtbar fand, dass ich ihn schon nach wenigen Wochen nicht mehr benutzte. Nicht so sehr wegen ihr, denn ich liebte sie – sondern wegen seiner Größe. Ich kam mir komisch vor, wenn ich ihn durch die Straßen schob. In New York City ist nicht besonders viel Platz, und ich nahm fast den ganzen Bürgersteig ein, sodass alle mir ausweichen mussten. Es war schon schlimm genug, mit dem Ding dauernd die Bordsteine hinauf- und hinunterzurumpeln. Aber in ein Geschäft zu kommen, war ganz unmöglich. Man musste sich vorbeugen, um die Tür aufzustoßen, dann hektisch den Kinderwagen hinterherschieben. Ich hatte immer Angst, die Tür würde vorzeitig zuschlagen und mein Kind zerquetschen. Auch die U-Bahn konnte ich nicht benutzen, also musste ich enorme Entfernungen zu Fuß zurücklegen. Anschließend ließ ich das Monstrum unten stehen, trug Aleeke rasch in die Wohnung, wo ich ihn alleine ließ, um wieder hinunterzujagen und das Ding unter die Treppe zu stellen, damit die Leute nicht darüber stolperten. Das ist eine so genannte Erleichterung, die ich nicht brauche.
    Nun, auf jeden Fall stieg ich an diesem Morgen mit Aleeke auf dem Rücken die Treppe hinunter. Die Gewohnheiten meiner Kindheit in der Wüste sind mir in Fleisch und Blut übergegangen, und ich laufe eigentlich immer, auch wenn es nicht unbedingt nötig wäre. Sein winziger Kopf steckte unter meinem Jackett, und ich fühlte mich wunderbar. Granny stand in der Küche, sie wusch gerade das Geschirr ab, und ich rief ihr zu: »Bis später, Granny!«
    Sie knurrte: »Warte mal! Wo ist das Baby? Du hast gesagt, du wolltest mit dem Kind spazieren gehen. Wo ist er?« Mit dem Küchentuch in der Hand kam sie in die Diele.
    »Er ist auf meinem Rücken«, gab ich Auskunft.
    Sie starrte mich

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