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Nomadentochter

Titel: Nomadentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waris Dirie
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ich das schäbige Lokal mit seinem Lehmfußboden und den mit Draht zusammengehaltenen Tischen verunreinigen würde.
    Zufällig drehte Mohammed sich um, um nach mir Ausschau zu halten. Er brauchte Geld, um das Essen zu bezahlen, das er bestellt hatte, und wunderte sich wohl, wo ich blieb. Er trat zu uns und fragte den schmierigen Wichtigtuer: »Was ist los?«
    Auf einmal wurde der Kerl sehr höflich und schnatterte: »Es tut mir Leid, aber Frauen haben hier keinen Zutritt. Sie essen in einem anderen Raum.«
    Mein Bruder musterte den Mann mit den kleinen Augen und dem schmutzigen Hemd. Auf einmal war es ganz still im Lokal geworden, und alle warteten gespannt, was jetzt passieren würde. Schließlich fragte Mohammed kopfschüttelnd: »Und wo ist der andere Raum? Zeigen Sie uns den Weg!«
    Der Kellner führte uns nach draußen, an der Terrasse und den Bäumen vorbei zu einer kleinen Hütte, die hinter dem Abort stand. Dann machte er auf dem Absatz kehrt und schlurfte wieder davon.
    Die Örtlichkeit war natürlich nicht mit einem weißen Porzellanbecken und Wasserspülung ausstaffiert, sondern es handelte sich um einen typischen somalischen Abtritt mit einem Loch im Boden. Er war schmutzig, voller Fliegen und großer, brauner Kakerlaken. Sie sind so dreist, dass sie direkt aus dem widerlichen Loch herauskrabbeln, während man darüber hängt. Es stank infernalisch, und aus allen Ecken umschwärmten uns die Fliegen; die eine Wand der Lokalität war übrigens gleichzeitig die Wand für das Esszimmer der Frauen. Es gab nicht einmal einen Tisch oder Stühle, sondern lediglich eine alte Bank mit einem kaputten Bein. Fast wäre ich in Tränen ausgebrochen. Meine Mutter würde an so einem entsetzlichen Ort nicht einmal ihre Ziegen unterbringen. Die Männer saßen wie Könige im Schatten der Räume, und die Frauen mussten mit dieser Kloake vorlieb nehmen.
    Mein Bruder und ich warfen uns einen Blick zu. Obwohl er immer so tat wie ein großer Somali-Häuptling, war das selbst für ihn zu viel. Kopfschüttelnd sagte er: »Vergiss es!« Wir drehten uns um und gingen zum Auto zurück. Dort fragte Mohammed: »Was schlägst du vor?«
    »Gibt es hier irgendwo ein anderes Restaurant?«, fragte ich Musa. »Ich verhungere.«
    »Ich auch«, echote Mohammed.
    Musa schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid, aber in der näheren Umgebung gibt es nichts anderes.«
    »Waris, hast du irgendetwas zu dem Kellner gesagt?«, wollte Mohammed wissen, als ob ich den Kerl beleidigt hätte.
    »Der Pavian hat es schon als Beleidigung empfunden, dass überhaupt eine Frau sein Lokal betrat«, grollte ich.
    »Wir versuchen mal, mit dem Koch zu reden. Er kam mir einigermaßen vernünftig vor«, sagte Mohammed und ging zur Küche zurück. »Entschuldigen Sie, aber ich kann meiner Schwester nicht zumuten, in der Hütte zu essen«, versuchte er es. »Bei all dem Schmutz da! Wir sind auf der Durchreise und möchten nur rasch einen Imbiss zu uns nehmen.«
    Der Koch hörte ihm zwar zu, war aber genauso unerbittlich wie der Kellner. »Es tut mir Leid, aber Frauen dürfen hier nicht rein!«
    »Was soll das eigentlich heißen? Wir sind hungrig. Haben Sie etwas zu essen?«
    »Ja«, erwiderte der Koch.
    »Verkaufen Sie es?«
    »Ja.«
    »Nun«, argumentierte Mohammed ruhig, »sie ist ein menschliches Wesen, oder nicht? Wo also liegt das Problem? Wir wünschen uns nur eine kleine Mahlzeit.« Ungerührt stand der Koch da. Mohammed fuhr fort: »Okay, ich verstehe ja, dass Frauen hier nicht essen dürfen. Und wenn meine Schwester draußen wartet, damit wir ihr etwas rausbringen?«
    »Nein«, herrschte der Koch ihn an. Aufgebracht fügte er hinzu: »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Frauen sich hier nicht aufhalten. Niemals!« Mit verschränkten Armen stand er da, als sei er ein Staatsoberhaupt oder so was.
    Mein Bruder musterte ihn von Kopf bis Fuß, dann sagte er: »Wissen Sie was? Ich scheiße auf Sie und Ihr verdammtes Essen,
Aba'ha Wuss
!« Er drehte sich auf dem Absatz um und sagte zu mir: »Komm, Waris, lass uns gehen.« Voller Stolz folgte ich meinem Bruder.
    In einer Staubwolke fuhren wir davon. Musa warf Mohammed einen Blick zu und meinte im Nachhinein: »Das Essen da taugt sowieso nichts!«
    Ich war so froh über meines Bruders Beistand, dass ich ihn am liebsten umarmt hätte. Mohammed schäumte vor Wut. »Dieses Land wird es nie zu was bringen, wenn die Leute sich nicht von den blöden, alten Traditionen lösen. Das ist doch absurd!«
    Es freute mich, dass mein Bruder

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