Nomadentochter
langen Beinen. Wir kamen an einem langhalsigen Geranuk vorbei, das sich auf die Hinterbeine aufgerichtet hatte und an einer Akazie knabberte. Es war viel zu sehr mit Fressen beschäftigt, als dass es sich durch ein vorbeischepperndes Auto hätte stören lassen. Von einem Hügel herunter bellte uns ein alter Pavian mit seiner Horde wütend an. Sie bleckten ihre langen Zähne und schwenkten die haarigen Arme.
Am späten Nachmittag war ich so hungrig, dass ich sagte: »He, ich halte es nicht mehr aus. Ich verhungere hier hinten und brauche dringend eine Pause.«
»Okay«, stimmte Musa zu. »Es gibt einen Teeladen nicht weit von hier. Dort können wir anhalten und etwas essen.«
»Was servieren sie denn da?« Ich dachte an einen großen Teller mit irgendetwas Gutem wie Reis mit gewürztem Ziegenfleisch oder einem Shish-Kebab. Außerdem hoffte ich, dass sie dort Kamelmilch anböten. Ich hatte mich die ganze Zeit zu Hause schon darauf gefreut, aber meine Mutter konnte keine auftreiben. Es war so trocken gewesen, dass die Kamele keine Milch gaben. Kamelmilch ist fett und nahrhaft, Menschen können ohne weiteres davon leben. Mir fielen die dreieckigen
zambusi
ein, mit denen im Ramadan das Fasten gebrochen wird, und süßer Tee mit Kardamom und Milch. Ich war so hungrig, dass mein Magen ganz flach und eingefallen war.
»Ich weiß nicht, was sie heute noch übrig haben, das meiste wird jetzt schon weg sein – aber irgendetwas gibt es sicher, man isst dort gut«, stellte Musa in Aussicht. »Ich war schon mal dort!«
Er hielt vor einem baufälligen Restaurant, das ein wenig abseits von der Straße neben ein paar Gebäuden lag. Eigentlich war es ein winziges Dorf, es gab eine Tankstelle, den Teeladen und ein paar Hütten. Das Restaurant war nicht viel mehr als eine freie Fläche mit einem Wellblechdach. Der Küchenbereich lag dahinter, und der Rauch des Feuers stieg gerade zum Himmel, weil kein Wind ging. Die Terrasse befand sich im Schatten einiger hoher Bäume. Überrascht sah ich, dass mindestens fünfzig, sechzig Männer auf Holzbänken an den alten Metalltischen saßen. Das Dorf war so klein, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, wo sie herkamen.
Musa und Mohammed schritten auf ihren langen Beinen voraus durch das Restaurant. Als ich auftauchte, hörte ich auf einmal die Männer murren: »Oh, nein! Oh, nein, nein. Was tut sie hier?« Ich ignorierte sie und ging einfach weiter. Als ich an ein paar Tischen vorbei die Küche ansteuerte, trat auf einmal ein Mann auf mich zu und versperrte mir den Weg. Offenbar war er der Kellner, aber er trug keine Schürze und sah auch nicht besonders sauber aus. Ich versuchte, mich an ihm vorbeizuquetschen, und sagte »Entschuldigung«, allerdings auf Englisch. Er begann zu schreien und wedelte mir mit den Händen vor dem Gesicht herum. »He! He! He!«, bellte er, aber ich marschierte einfach hinter meinem Bruder her. Ich hatte keine Lust, mich mit einem Mann auseinander zu setzen, der so schmutzige Fingernägel hatte.
Auf einmal begannen ein paar andere Anwesende zu schreien: »Halt sie auf! Wirf sie hinaus!« Wieder stellte sich mir der Kellner in den Weg.
Ich blickte ihm direkt in die Augen und sagte auf Somali, damit er wusste, dass ich ihn verstand: »Gibt es ein Problem, Krieger?«
Er mied meinen Blick und zischte nur, als sei ich ein Huhn, das er aus der Tür scheuchen wollte. »Sie sind hier nicht erwünscht«, sagte er laut. »Das Lokal ist nur für Männer, Frauen gehen woandershin.«
»Was? Was reden Sie da? Warum darf ich hier nicht essen?« Zwar essen somalische Frauen normalerweise nicht mit Männern in einem Restaurant, aber es war mir neu, dass es ihnen ausdrücklich verboten ist.
Er wiederholte: »Hier speisen nur Männer. Frauen dürfen nicht herein.«
»Das ist doch lächerlich. Ich belästige ja niemanden.«
»Ich habe Ihnen gesagt, Sie sollen gehen.« Er spuckte mir die Worte förmlich entgegen und plusterte sich auf. Ich war so geschockt, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte. Mohammed dachte nur ans Essen, und Musa hatte es eilig, wieder ins Auto zu kommen. Der grässliche Kellner würde mich nicht einmal zu ihnen lassen, damit ich ihnen Bescheid sagen konnte – er hatte sich wie ein Schrank vor mir aufgebaut. Ich schäumte vor Wut, aber da ich hungrig war – schließlich hatten wir den ganzen Tag noch nichts gegessen – lenkte ich ein. »Nun, und wo essen die Frauen?«
»Dort drüben.« Er wies mit seinem knochigen Finger aus der Tür, als ob
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