Nomadentochter
zu wissen, was Sie brauchen und was zu organisieren wäre.« Sie traten von einem Fuß auf den anderen und brachten kein Wort heraus. »Es ist wichtig, dass ich Ihre Wünsche in New York vortrage«, wiederholte ich. »Ich will nichts von Ihnen, ich bin nur hier, um Auskünfte zu holen.« Verlegen standen sie herum und gaben mir keine Antwort. »Warum wollen Sie nicht, dass ich Ihnen helfe? Was ist hier nur los?«, fragte ich aufgebracht. Aber niemand redete mit mir. Sie trauten mir nicht, ganz gleich, was ich sagte. Mit einer Frau wollten sie nicht sprechen.
Als wir gingen, erklärte Mohammed mir: »Frauen tun das nicht, Waris. Du kannst nicht einfach irgendwo reinplatzen und Männern Fragen stellen. Das ist hier unmöglich.«
»Ich fasse es nicht«, rief ich auf. »Wie wollt ihr denn mit dieser Einstellung jemals das Land hochbringen?« Auf dem Weg zurück ins Hotel sah ich ein anderes, niedriges Gebäude mit einem UN-Schild. Drinnen hielten sich ein paar Frauen auf. Sie begrüßten mich herzlich und verwiesen mich an eine Person, die sich um Gesundheits- und Ausbildungsfragen für Frauen und Kinder kümmerte. Sie hatte ihr Büro in einem eingeschossigen Fertigbau am Stadtrand. Assia Adan war eine eindrucksvolle Gestalt mit einer sehr direkten Art, und ich verdanke ihr wertvolle Informationen.
»Ich beschäftige mich hauptsächlich mit Frauenthemen, wie zum Beispiel der Genitalverstümmelung an Frauen«, setzte Assia mich ins Bild. »Als Hebamme versuche ich mit anderen, die Frauen in Gesundheitsfragen aufzuklären. Wir bieten medizinische Versorgung an und halten auch Vorträge über die Gefahren der Klitorisbeschneidung. Diesen Brauch würden wir gerne vollständig ausrotten, aber es ist sehr schwer, die Leute überhaupt dazu zu bringen, darüber zu sprechen. Und es wird auch schwierig sein, ein Umdenken zu erreichen. Diese Praktiken gibt es in unserem Land seit jeher. Die Mütter kennen es nicht anders und sie stellen es für ihre Töchter nicht in Frage. Kulturell gesehen ist es für sie unvorstellbar, dass Mädchen nicht beschnitten werden.«
»Sie haben Recht«, erwiderte ich. »Meine Mutter wollte mir auch nicht wehtun. Sie glaubte, ich sei danach rein und sauber.«
»Bei manchen modernen Frauen in Somalia wird nur ein Teil der Klitoris entfernt; aber hier werden die gesamten inneren Schamlippen und die Klitoris amputiert, und die Frau wird zugenäht. Diese pharaonische Beschneidung ist die schwerste Form.«
»Der Gedanke, der dahinter steht, ist, dass die Frau anschließend völlig glatt und geschlossen ist«, erläuterte ich ihr. »Meine Mutter hat sorgfältig darauf geachtet, dass ich nach dem Eingriff auf dem Rücken schlief, damit die Wunde glatt und flach verheilte. Das war für sie das wichtigste Kriterium. Wie versuchen Sie denn, eine Veränderung herbeizuführen?«
»Wir halten Vorträge über die Sunna-Beschneidung bei Mädchen. Dabei handelt es sich mehr um einen rituellen Akt. Offenbar haben einige modern eingestellte Frauen in Saudi-Arabien das als Alternative gewählt.«
»Wie funktioniert es denn überhaupt?«, erkundigte ich mich. »In meinem Dorf konnte ich nicht eine einzige Person dazu bewegen, darüber zu reden. Nicht eine einzige! Sie haben mich alle angesehen, als sei ich verrückt.«
»Aber wie gesagt, wir stehen erst am Anfang und haben noch keine großen Fortschritte in den letzten sechs Jahren gemacht. Trotzdem ist es ein Wunder, dass es uns überhaupt noch gibt! Vorläufig hat man uns nicht zum Aufgeben gezwungen, und ich finde, das ist zumindest ein gutes Zeichen. Es gibt also Hoffnung«, sagte Assia.
»Ja.« Ich lächelte. »Das spürt man. Ich hatte Angst davor, in meine Heimat zurückzukehren, denn ich fürchtete, man würde mich angreifen, weil ich in der Öffentlichkeit über Klitorisbeschneidung spreche. Ich wurde gewarnt, dass man mich vielleicht an der Grenze abweisen, mich entführen oder Schlimmeres mit mir anstellen würde. Irgendwann komme ich zurück, Assia, dann arbeiten wir zusammen«, versprach ich. »Ich werde Ihnen helfen, wo ich nur kann.«
Ich erzählte ihr von meiner Stiftung, Desert Dawn, und dem Geld, das wir für Frauen und Kinder sammeln. Wir entwickelten den Plan, ein Gemeindegesundheitszentrum in Bosasso zu errichten, Seminare für Frauen abzuhalten und mobile Einheiten zur Verfügung zu stellen, mit denen auch Familien in entlegenen Landesteilen medizinisch versorgt werden konnten. Als wir uns verabschiedeten, umarmte und küsste ich sie.
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