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Nonnen

Nonnen

Titel: Nonnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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Dann
versank er in dem Erzähler.
     
    ES FING ALLES ganz harmlos an – wie solche Dinge eben
anzufangen pflegen. Ich hatte gerade die Arbeit an einem
frühen Cranach beendet, den wir für einen Privatsammler
restaurieren mußten, als mein Chef mir auftrug, an einem
Grabmal auf dem Friedhof Melaten mitzuarbeiten.
    Dort war bereits ein Kollege tätig, doch die Zeit
drängte, denn der Chef hatte einen Großauftrag
angenommen, mit dem wir immer noch befaßt sind. Es handelt
sich um St. Maria im Capitol. Daher bleiben nur noch vierzehn
Tage, um die Arbeiten an dem Grabmal abzuschließen. Am
vergangenen Montag machte ich mich erstmals auf den Weg nach
Melaten; der Pförtner erklärte mir, wo ich das Grab
finden könne, und ich lief durch eine schattige
Kastanienallee vorbei an allerlei seltsamen Grabmälern aus
dem vorigen Jahrhundert, die eher etwas über die
Geschmacksverirrungen der Hinterbliebenen als über die
Wertschätzung der Verstorbenen aussagen, schritt einige
weite Rasenflächen entlang, in deren Mitte mächtige
Platanen oder Ahorne wuchsen, schlug mich nach rechts immer
tiefer in die Stille hinein, und nur von fern brauste der
Verkehr. Er war gefiltert durch das Schlagen der Finken und
Meisen, durch das Zwitschern der Amseln, zu denen das Knarren
einiger Elstern einen unangenehmen Kontrast bildete. Nun
hörte ich schon leises Klopfen und Hämmern. Ich kam zu
einem asphaltierten Halbrund, und da sah ich endlich mein Ziel.
Dicht am Weg, zur Rechten, stand jemand in schmutziger
Arbeitskleidung und meißelte an den Falten eines steinernen
Gewandes. Es umschmiegte einen unangenehm naturalistischen
Sensenmann, der, das entfleischte linke Bein beinahe kokett
vorgestreckt, auf einigen künstlichen Felsen stand. Sein
Todesgrinsen hob sich weit über den Betrachter hinweg; er
schaute in Fernen, die ihm zu gefallen schienen. In seiner
Rechten hielt er ein Stundenglas, eingerahmt von steinernen
Knochen, die Linke hatte er in einem Winkel an die Schulter
gelegt, so daß durch die Öffnung zwischen dem Arm und
dem Körper der Stiel einer Sense hindurchpaßte, die,
auf der Schulter abgestützt, weit über seinen halb von
einer Kapuze bedeckten Kopf reichte.
    Das Grabmal, das keinen Namen trägt, war stark verwittert
und bemoost. Der Skulptur fehlten etliche Zehen und Finger,
einige Knochen waren von dem Stundenglas herabgefallen, das
Gewand zerbröckelte, der Fels war rechts und links am Sockel
auseinandergebrochen, doch trotz dieser Beschädigungen war
die Figur noch immer kraftvoll und drohend. Rechts neben ihr
erhob sich eine der ältesten, wundervollsten Platanen, die
ich je gesehen habe, und hinter dem Sensenmann lag eine hohe
Eibenhecke, die ihn vor den Blicken der Lebenden verbirgt.
    Einige Minuten lang stand ich nur da und betrachtete den Tod
aus der Ferne. Das emsige Hämmern des Restaurators, der ihm
gegenüber so klein war, wirkte wie der Versuch, das
Unheimliche aus der Figur herauszuhauen. Ich kannte meinen
Kollegen kaum, er war neu, erst seit wenigen Wochen bei uns, doch
sein Geschick und seine Ruhe hatten ihn schnell zu einem
angesehenen und beliebten Mitarbeiter gemacht. Nun sollte ich zum
ersten Mal eng mit ihm zusammenarbeiten. Ich trat hinter ihn und
legte ihm die Hand auf die Schulter. Es sollte eine freundliche
Geste sein, doch er hatte mich offensichtlich nicht kommen
gehört, er zuckte zusammen, als wäre er geschlagen
worden, und schüttelte meine Hand mit einer heftigen
Bewegung ab. Dann drehte er sich um, und für einen
Augenblick konnte ich in seinen Augen eine Angst sehen, vor der
ich erschrak.
    Ich will euch nicht mit der Beschreibung unserer Arbeit
langweilen, doch zusammen kamen wir gut voran. Der Kollege
– er hieß Hartmut Schwartz, ein Name macht einen
Menschen ja erst faßbar – hatte in der Zeit, da er
allein restauriert hatte, schon eine Menge geschafft; das Grabmal
muß wirklich verheerend ausgesehen haben. Doch die Arbeit
machte keinen großen Spaß. Ich bemühte mich,
nicht zu oft zu dem Grinsen des Sensenmannes hochzuschauen, und
ich wünschte mir, daß Schwartz die Stille neben den
Meißelschlägen und dem kratzenden Auftragen des
Mörtels doch mit einigen Worten angefüllt hätte.
Aber er blieb stumm, den ganzen Tag. Auch als wir abends durch
die stillen, todesgesäumten Alleen zum Ausgang schritten,
sagte er nichts. Indes bemerkte ich, daß er sich mehrfach
schnell umschaute. Er steckte mich mit seiner

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