Nonnen
Nervosität an,
und bald tat ich es ihm gleich, doch ich konnte nichts
Außergewöhnliches bemerken. Manchmal sahen wir
jemanden, der flink einem Grab zuhuschte, es schien zumeist eine
Frau zu sein, eine Angehörige, Witwe vielleicht, und
plötzlich war ich froh, daß ich niemanden hinterlassen
würde. Es muß schrecklich sein, zu sterben und zu
wissen, daß man Schmerz zurückläßt.
Vor dem Tor verabschiedeten wir uns. Ich ging zu meinem Wagen,
und Schwartz begab sich zu der Bushaltestelle, die unmittelbar
vor dem Friedhofseingang liegt. Als ich an ihm vorbeifuhr, winkte
ich ihm zu, und er hob zögernd den Arm. Zu Hause versuchte
ich bei einem milden Sherry die seltsame Atmosphäre des
Tages hinunterzuspülen. Ich dachte über Hartmut
Schwartz nach, aber ich konnte mir nicht vorstellen, was ihn
bedrückte. Ich mutmaßte, daß es häusliche
Sorgen sein könnten, ein Streit mit seiner Frau
vielleicht.
Während ich am nächsten Morgen vor dem kleinen
Friedhofsportal einen Parkplatz suchte, was zu dieser Zeit schon
schwierig wurde, sah ich, daß Hartmut Schwartz bereits an
der Bushaltestelle stand. Er schien auf mich zu warten. Ich stieg
aus und ging auf das Portal zu. Da lief er mir entgegen.
»Bin auch gerade erst gekommen«, sagte er und
bedachte dabei nicht, daß auf der geraden, breiten
Straße in diesem Fall noch der weiterfahrende Bus
hätte sichtbar sein müssen. Er war aber nirgendwo zu
sehen. Also gingen wir zusammen zum Sensenmann, und unterwegs
benahm er sich so wie auf dem Rückweg am vergangenen Abend.
Ich sagte wieder nichts, wir arbeiteten schweigend, ersetzten die
Zehen, das Gewand war beinahe fertig, und wir begutachteten
zufrieden unser Werk.
Dann setzte ein gewaltiger Regenschauer ein, und wir zogen
unsere Überwürfe an und flohen unter eine dichte Linde.
Als der Schauer vorübergezogen war, entschieden wir,
Feierabend zu machen. Noch fünf oder sechs Tage, und das
Werk würde vollbracht sein. Wir nahmen unsere Sachen und
schickten uns an, denselben Weg wie am Tag zuvor zu nehmen. Doch
der Pfad war nach dem Guß derart aufgeweicht, daß es
unter unseren Schritten schmatzte und unsere Hosenbeine von
aufspritzendem Schlamm schwer und hart wurden. Ich blieb stehen.
»Gibt es keinen asphaltierten Weg? Lassen Sie uns
zurückgehen und einen suchen. Bis wir am Tor angekommen
sind, sehen wir wie zwei Schlammcatcher aus.« Ich drehte
mich um und hatte schon einen Schritt getan, als ich eine harte
Hand am rechten Arm spürte. »Nein!« hörte
ich die bestimmte Stimme von Hartmut Schwartz. »Wir gehen
weiter!« Er ließ mich nicht los, und ich wollte es
nicht zu einem unsinnigen Streit kommen lassen, also gab ich
nach. Wieder schaute er oftmals zurück, wieder ließ
ich mich anstecken, doch nun war niemand unterwegs. Der Regen
hatte abgeschreckt.
Am Tor schaute ich an mir hinab und fluchte leise
darüber, daß ich mich zu diesem Marsch hatte
nötigen lassen. Mein Abschiedsgruß fiel ziemlich
frostig aus, und ich ließ die Reifen quietschen, als ich
losfuhr. Aus den Augenwinkeln sah ich, daß mein Kollege wie
ein begossener Pudel an der Haltestelle stand, und er tat mir
leid. Was mochte ihn zu seiner harschen Reaktion veranlaßt
haben? Am nächsten Tag sollte ich es erfahren.
So war es, so hatte Benno es gesehen und empfunden auf dem
Melaten-Friedhof. Ihm gefiel die Schilderung; er konnte sich die
Szene gut vorstellen. Nun, die Eindrücke waren auch noch
sehr frisch.
Benno war stolz auf seine Idee mit der doppelten
Rahmenerzählung, er fand sie raffiniert. Wo aber sollte die
Geschichte erzählt werden? Wo können sich zwei
Männer unterhalten, die allein sind? Natürlich wiederum
in einer Wirtschaft. Benno erinnerte sich daran, daß
schräg gegenüber dem Nebenportal eine Eckkneipe lag.
Ihren Namen hatte er vergessen.
Für einen Augenblick überlegte er, ob er noch einmal
hinausgehen sollte. Es wurde schon dunkel, und er haßte die
Stadt, wenn sie unter der Finsternis lag. Nichts sah mehr so aus
wie am Tage. Früher hatte er die Dunkelheit geliebt. Er war
oft an späten Winternachmittagen nach den Hausaufgaben oder
nach den Arbeiten für das Studium in die Stadt gegangen, zu
einigen Antiquariaten, und er war an finsteren Wiesen
vorbeigekommen, rechts neben der Autobahnabfahrt, an der ein
holperiger Fußweg entlangführte. Aus der Ferne sah er
das Rüger-Hochhaus, die zahllosen Lichtnadeln des schwarzen
Kolosses, die mit den
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