Nonnenfürzle: Kriminalroman (German Edition)
Christi können Sie mir nicht die Nase vor der Tür zuknallen. Was, wenn
ich Francesco Giovanni di Pietro Bernardone wäre, nämlich der Heilige Franziskus.
Sie würden sich für immer Vorwürfe machen. Was, wenn herauskäme, dass der Heilige
hier im Schwesternhaus eine Schwester um Hilfe gebeten hätte und diese Schwester
ihm die schwesterliche Hilfe verweigert hätte. Und viel schlimmer noch, wenn daraus
unsägliches Leid entstanden wäre?«
»Hören Sie
bitte mit Ihrem Geschwätz auf!«, drang es flehend dumpf durch die geschlossene Tür.
»Das macht
mich schon ein bisschen traurig, dass ich in einem Haus, das den Namen eines Heiligen
trägt, der keinem Tierlein das Türlein verschlossen hätte, einem Menschen, der Hilfe
braucht, die Tür verschlossen bleibt.«
Die Tür
ging ruckartig auf, Schwester Immaculata tippte sich gegen die gerötete Stirn.
»Hören Sie
jetzt bitte mit Ihrem dummen Geschwätz auf, die Kommissarin hat mich ja vor Ihnen
gewarnt, aber die Wege des Herrn sind unergründlich. Kommen Sie halt ganz kurz herein,
aber seien Sie bitte leise!«
Ich setzte
mich im engen Zimmer auf den vor dem Schreibtisch stehenden, unbequemen Holzschemel,
den der Heilige Franz von Assisi bestimmt noch selbst geschnitzt hatte. Die Fromme
ließ sich auf dem Bett nieder. Ihr Kopf glühte immer noch.
»Was gibt
es denn, was Ihr Eindringen legitimieren könnte, Herr Bönle?«
Sie kannte
immerhin meinen Namen noch. Das freute mich. Jetzt nur nicht gleich mit der Tür
ins Haus fallen. Vielleicht ein Kompliment zur Eröffnung, um die Konversation nicht
schon im Vorfeld scheitern zu lassen. Sich entwickelnde, gelingende Kommunikation
ist ein zartes Pflänzchen und bedarf der Einhaltung eines subtilen Regelwerkes.
Ich versuchte es mit einer unverfänglichen Eröffnungsformel:
»Wie kommt
es, dass eine so nette, junge Frau wie Sie im Kloster landet?«
Ihr Kopf
schien zu verdampfen. Ich hatte offensichtlich falsch eröffnet.
»Da… Danke,
das haben Sie bestimmt nett gemeint. Aber stellen Sie einfach Ihre Fragen.«
»Äh … ja,
die Fragen, Entschuldigung. Wissen Sie, ich weiß schon, dass ich Ihre klösterliche
Atmosphäre hier störe, aber es geht eben um mehr.«
Stille.
Gehüstele. Geraschele. Tempotaschentuch.
Die Dummheit
meiner Worte, seit ich in diesem Raum war, war kaum mehr zu überbieten – außer von
mir selbst.
Auch mein
Kopf nahm eine rötliche Färbung an.
»Soo, Herr
Bönle, genug der Freundlichkeiten, es geht doch um Leben und Tod, was wollen Sie
von mir wissen? Und was haben Sie vergessen, mir Wichtiges zu zeigen?«
Ich erzählte
der frommen Zuhörerin, was ich im Bohnenstengel zusammen mit Sabine erlebt hatte.
Sie kannte nicht einmal den Bohnenstengel. Das Eifersuchtsgeplänkele mit Cäci ließ
ich aus. Nur harte Fakten. Professionell.
Als ich
ihr den Täter oder die Täterin beschrieb, war sie sichtlich erschüttert.
»An Karneval
jemand im Ornat einer Franziskanerin, das ist ja gotteslästerlich!«
»Hat Gott
Frauenkleider getragen?«
»Herr Bönle,
die Kommissarin hat mich nicht umsonst gewarnt, lassen Sie bitte solche Späße, wissen
Sie, die Schnittmenge von Ihrer und meiner Welt scheint recht klein zu sein, obwohl
Sie Religionslehrer sind. Sind Sie sich sicher, dass das, was Sie in diesem Restaurant
gesehen haben, eine echte franziskanische Tracht war?«
»Ja, das
sah genau so aus. Nur der Schleier vor dem Gesicht war bestimmt nicht authentisch.«
»Und jetzt
gehen Sie davon aus, dass der Täter eine Nonne ist … oder ein Mann, der hier ein
und aus gehen kann, der eine Tracht entwendet hat?«
»Ja.«
»Und wegen
so einer begrenzten Idee kommen Sie zu mir?«
»Es geht
mir einfach darum, mit Ihnen zu reden, da Sie am tiefsten in den Fall einbezogen
sind. Auch emotional und so. Sie haben die Leichenteile gefunden, Sie haben den
Motor gehört. Und das wollte ich Ihnen noch zeigen, diesen Splitter.«
Ich stand
auf und wollte die Unfalldevotionalie aus meiner Hosentasche ziehen, als mir einfiel,
dass das Corpus Delicti bei Herrmann ruhte. Ich hatte aber dafür den Stofffetzen
in der Hand, den ich der Schwester zeigte:
»Sehen Sie,
das ist am Zaun hängen geblieben. Ist das der Stoff, aus dem Ihre Tracht gemacht
wird?«
Sie stand
auf und verglich den Fetzen mit ihrem Gewand, das fein säuberlich an einem Bügel
neben dem Schrank hing.
»Ja, das
ist der gleiche Stoff. Und was wollten Sie mir noch zeigen, ein Blinkerglas? Was
ist das?«
Ich erklärte
der Technikentfremdeten, wie ein
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