Nonstop in die Raketenfalle
das?«
Es war so groß wie ein
Ein-Cent-Stück, etwa dreimal so dick und kupferfarben. Die Oberfläche schien
porös zu sein, war jedenfalls überzogen mit einem haarfeinen Sieb. Die
Unterfläche klebte fest am Sesselboden. Sonja brach sich fast einen Fingernagel
ab, als sie das Metallstück ablöste. Die Unterseite war offenbar mit einem
raffinierten Klebstoff versehen.
»Leute! Irre ich mich oder...«
»Das ist eine Wanze!«, brüllte
Dowasch. »Verdammt! Wir sind verwanzt! Maul halten! Sofort! Und raus! Raus
hier!«
Er war schon an der Tür. Sonja
ließ die Wanze fallen wie eine heiße Kartoffel. Hajo war aufgesprungen. Sie
folgten Dowasch, der aus dem Haus stürmte, als stünde es in Flammen.
In der Garage, wo sie geschützt
waren vor dem nieselnden Regen, steckten sie die Köpfe zusammen.
Wut trieb Dowasch das Blut ins
Gesicht. Hajo und Sonja waren totenbleich. Dowasch ließ den Blick über die
kahlen weißen Wände gleiten.
»Hier wird wohl nichts sein.
Verdammt! Verdammt!«
»Wer...wer hört da mit?« Hajos
Stimme hatte ihren Schmelz verloren. »Die Bullen?«
Dowasch schüttelte den Kopf.
»Nein, die nicht. Die arbeiten mit Richtmikrofonen. Außerdem wären sie längst
hier. Was wir seit Tagen quatschen, reicht für zehn Jahre Knast für jeden von uns.«
»Wer dann?«, fragte Sonja und
wusste es im selben Moment. »Emilio! Klar doch! Emilio! Dieser Mistkerl hat ‘ne
abartige Freude an so technischem Kram. Damit hat er sich doch immer
gebrüstet.«
Hajo nickte. »Auf dem Sessel,
den du jetzt hattest, hat er meistens gesessen.«
Dowasch nickte langsam und
verstehend. »Ja, es würde zu ihm passen. Der Typ ist hinterhältig, doppelbödig
und falsch. Vielleicht hat er gemerkt, dass wir ihn loswerden wollten, und uns
verwanzt, um zu hören, was wirklich läuft. Kacke! Jetzt weiß er, was wir
vorhaben.«
»Aber das bügeln wir aus«,
sagte Hajo. »Wir schnappen ihn uns. Wir machen ihn fertig.«
Sonja hob ihre dünnen Brauen.
»Weißt du nicht, was passiert ist?«
»Was denn?«
»Es stand heute in der
Zeitung.«
»Da sehe ich doch nur selten
rein.«
»Sag’s schon!«, drängte der
Russe. »Ich weiß genauso wenig.«
»Emilio hatte gestern spät
nachmittags einen schweren Unfall. Ein Lkw hat seinen Wagen gerammt, aber
Emilio war offenbar schuld. Der Mercedes ist völlig verbrannt. Emilio liegt im
Koma. In der Zeitung ist natürlich nur von einem Emilio C. die Rede. Immerhin —
das Unglück ereignete sich vor der Trattoria Paolo in der Valleverde-Straße und
Emilio war gerade vom Hof gefahren. Der Kerl muss es also sein. Das heißt, wir
können ihn vorläufig vergessen. Vielleicht überlebt er’s gar nicht.«
»Das gefällt mir«, grinste
Dowasch.
Hajo nickte. »Sein
Empfangsgerät war bestimmt im Wagen. Wo sonst? Die Empfänger sind immer im
Wagen. Verbrannt? Na, super! Darum brauchen wir uns nicht mehr zu kümmern.«
Dowasch wiegte den Kopf.
»Trotzdem werden wir jetzt das Haus absuchen. Mit dem Pisatisukowo dauert das
keine halbe Stunde.«
»Womit?«, fragte Hajo.
»Das ist ein Gerät, mit dem du
Wanzen — Abhörmikrofone — suchst. Eine Art Geigerzähler für abflutende Akustik,
also Geräusche, die nach draußen gehen. Absolut zuverlässig. Unser Geheimdienst
hat es entwickelt. Der KGB (Geheimdienst der Sowjetunion ) hat es benutzt
und seine Buden waren immer clean (sauber). Ich hab mir so ein Ding
mitgebracht. Man kann ja nie wissen.«
»Stark!«, lobte Sonja.
Sie vereinbarten, kein Wort zu
reden — vorsichtshalber — , gingen ins Haus zurück und Dowasch holte das Gerät.
Es sah aus wie ein transportabler CD-Player und war nicht groß. Auf dem Display
mit den komplizierten Skalen ruckten und zuckten nervöse Nadeln.
Dowasch suchte den
»Besprechungsraum« ab. Sie fanden zehn weitere Wanzen. Hajo schlug sie im
Keller mit dem Hammer kaputt. Der Schrott wurde im Klo weggespült.
Dowasch suchte auch die übrigen
Räume im Parterre ab und dann das Obergeschoss, fand aber keine weiteren
Wanzen.
»Puh!«, meinte Hajo. »Noch mal
davongekommen.«
»Hätte ich das gewusst«, sagte
Dowasch, »hätte ich Emilio liquidiert. Und auf der Müllkippe verscharrt. Wie
bei uns in Moskau. Die alten Methoden sind doch die besten. Skrupel schaffen
nur Probleme.«
»Wer hat denn hier Skrupel?«,
lachte Sonja. »Aber jetzt muss ich nach Hause und nach der Kleinen sehen.«
»Nach wem?«, fragte Dowasch
überrascht.
»Susi. Zehn Monate alt.«
»Was? Du hast ein Kind?«
»Spinnst du?! Sehe ich
Weitere Kostenlose Bücher