Nonstop in die Raketenfalle
spielte mit. Denn Hautkontakt zu Dowasch war
absolut kein Hit. Der Russe roch entweder nach Schweiß oder nach Knoblauch, oft
auch nach beidem.
»Ich fühle mich einsam«, sagte
er grinsend.
»Hast du Sehnsucht nach deiner
Frau?«, fragte Hajo.
»Das auch. Aber Olga ist in
Moskau besser aufgehoben. Nein, Wladimir fehlt mir schon den ganzen Tag.«
»Wieso?«, wunderte sich Sonja.
»Ist er nicht da?«
»Er ist heute früh
aufgebrochen. Ist Serges Leuten entgegengefahren. Die bringen drei Lkws mit
hiesigen Kennzeichen und erstklassigen Papieren. Die Karaschoexplonow-Raketen
reisen gesondert an in einem Rot-Kreuz-Krankenwagen. Auch der ist ganz koscher.
Und sicher — sicherer geht’s nicht. Denn so ein Krankenwagen wird nie
kontrolliert. Natürlich sind die Raketen außerdem im doppelten Boden versteckt.
Auch das Gestell für den Abschuss. Tja, und diesen Konvoi wird Wladimir lotsen.
Olaf kommt übrigens nicht. Der arbeitet heute. Aber nun erst mal rein. Ist ja
schweinekalt im deutschen November.«
»Hoffentlich«, lachte Sonja,
»wirst du nie die Erfahrung machen, wie kalt Sibirien ist.«
Sie traten in den
Besprechungsraum. Von diesem Moment an nahmen die versteckten Wanzen jedes Wort
auf. Elf Wanzen hörten ab mit ihren winzigen Mikrofonen und übertrugen Stimmen
und Geräusche zu dem Empfänger in der Feldscheune, der sich bereits
eingeschaltet hatte. Langsam drehte sich dort das Tonband und zeichnete alles
auf.
»Wodka?«, fragte Dowasch.
»Gern.« Sonja nahm das Glas,
das er ihr reichte.
»Ich nicht«, wehrte Hajo ab.
»Muss noch fahren. Aber nun mal genau: Wann werden die Lkws hier sein?«
»Morgen im Laufe des Tages«,
erwiderte Dowasch.
»Und die werden hier
abgestellt?«
»Nein. Gleich vor Ort. Ich
zeig’s euch nachher auf der Karte. Habe eine erstklassige Geländekarte. Da ist
jeder Baum eingezeichnet. Olaf hat sie mir besorgt.«
»Und die Raketen?«
»Die und das Zubehör kommen
hierher. Wir nehmen sie erst mit, wenn es so weit ist. Die lassen sich leicht
transportieren.«
»Ich denke, sie sind
gefährlich«, sagte Sonja.
»Eine Karaschoexplonow ist
gefährlicher als gefährlich. Sie ist ein Spielzeug des Todes.«
»Aber töten wollen wir
eigentlich niemanden«, meinte Hajo. »Wir wollen nur das Flugzeug abschießen.
Und hoffen, dass alle ihren Fallschirm haben zum Absprung.«
»In die Richtung denke ich
nicht weiter«, erwiderte Dowasch. »Das bremst nur unsere Motivation.«
»Bei mir nicht«, lachte Sonja.
»Schön und reich sein, war immer mein Ziel. Jetzt rückt beides heran, denn mit
Geld kannst du heutzutage auch schön werden. Dafür sorgen die
Schönheitschirurgen und ‘ne ganze Beauty-Industrie, die nichts anderes
predigen.«
»Wann wird’s sein?«, fragte
Hajo und meinte natürlich den Coup.
Dowasch hob die Schultern.
»Bald. Garantiert in den nächsten Tagen. Serge hat seine Späher vor Ort. Sobald
der Flieger von der Startbahn abhebt, kriege ich Bescheid. Dann legen wir los.
Die Vorbereitungen sind getan. Wir warten auf den Jumbo, und ich weiß auch
genau, wo. Habe die ideale Position gefunden. Und sobald er heranschwebt, holen
wir ihn runter.«
»Wie lange haben wir dann
Zeit?«, fragte Hajo.
»Eine Stunde, denke ich.«
»Dann rauschen die
Rettungsmannschaften an«, meinte Sonja. »Oje! Ich finde, das ist knapp.«
»Könnte sein, dass wir nicht
alles kriegen«, nickte Dowasch. »Aber es wird trotzdem reichen. Wir müssen uns
eben beeilen.«
Sonja hatte sich einen zweiten
Wodka genommen. Sie fühlte sich nervös. Nicht wegen des Coups, sondern wegen
des Babys in ihrem Haus, wegen der erst zehn Monate alten Susi. Sicherlich —
das Kind hatte ein Schlafmittel erhalten und befand sich im Zustand leichter
Betäubung. Dennoch, zu lange wollte Sonja die Kleine, die allerliebst war,
nicht allein lassen.
Die Frau spielte mit ihrem
linken Ohrring, einem runden Clip aus Gelb- und Weißgold. Ihre Gewohnheit war
es, ihn abzunehmen und in der Hand herumzukullern. So auch jetzt. Dabei
entglitt er ihr, fiel auf den fadenscheinigen Teppich und erhielt versehentlich
einen Kick ihres linken Fußes. Der Clip rollte unter den Sessel.
Sonja bückte sich und angelte
danach. Die beiden Männer sahen ihr zu. Der Sessel hatte nur wenig
Bodenfreiheit und Sonjas Finger tasteten ins Leere. Also kippte sie den Sessel
an. Mit einer Hand hielt sie ihn so, mit der anderen hob sie den Clip auf.
Dabei wurde ihr Blick abgelenkt: auf etwas, das unter dem Sessel haftete.
»Nanu! Was ist denn
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