Nonstop in die Raketenfalle
über eine schmale Piste links um das Gebäude herum
zur Notaufnahme. Sicherlich wieder mal ein Schicksal auf Messers Schneide und
nun ging’s um Sekunden.
»Wir fahren zu Glorias Haus«,
sagte Tim, »und sehen uns dort um. Vielleicht sind wir schlauer als Sondermann
und finden was raus.«
»Dein Selbstbewusstsein ist
manchmal ziemlich anstrengend«, brummelte Klößchen. »Wieder diese weite Strecke
und ich hab nur noch ‘ne halbe Tafel Schoko.«
»Wir kommen bestimmt an einer
Schokolaterie vorbei«, tröstete Tim. »Du kannst Verpflegung fassen.«
»Bin fast pleite.«
»Bevor du den Rest verprasst«,
sagte Karl, »kriege ich vierfuffzig von dir. Von jedem. Bin ja schließlich
nicht eure Bank. Außerdem soll man Jugendlichen keinen Kredit geben. Das
verführt nur zum Schuldenmachen.«
»Hört, hört!«, lachte Gaby und
zückte ihr Portmonee.
»Karl, der Geldeintreiber«,
frotzelte Tim.
»Ich will sofort die Quittung
sehen für den Strauß!«, rief Klößchen. »Denn vermutlich hat er nur die Hälfte
gekostet und Karl nimmt uns aus.«
»Ertappt!«, grinste Karl. »Ich
gestehe. Hab die Blumen im Park geklaut und das Papier aus der Mülltonne.
Trotzdem kriege ich vierfuffzig von jedem. Jetzt aber her mit der Knete!«
12. Elf
Wanzen im Besprechungsraum
Sonja Lembke, das beinharte
Weibsbild der Russenmafia, hatte den ganzen Vormittag an ihrer Harley Davidson
herumgewienert, bis Stahl, Chrom und Lackierung sogar im grauen Novemberlicht
blitzten. Das geschah in der Garage des kleinen Hauses, das Sonja gemietet
hatte. Wegen des Regenwetters verzichtete sie dann darauf, ihren schweren
Feuerstuhl zu fahren. Der sollte schön sein für morgen, für einen heißen
Einsatz, wobei es allerdings nicht die geringste Rolle spielte, ob die Maschine
dreckig war oder sauber. Doch der strahlende Glanz erschien ihr, Sonja, ein
Versprechen zu sein auf den Erfolg der Aktion. Diese sollte ihr und Hajo eine
Menge Kohle einbringen. Ist schon ein raffinierter Coup, dachte sie, den wir da
geplant haben.
Am frühen Nachmittag holte Hajo
sie ab. In seinem Porsche fuhren sie zum Russenhaus, Amalfi Weg 31. Dimitrij
Dowaschin, genannt Dowasch, hatte angerufen. Ein paar Vorbereitungen sollten
besprochen werden. Das betraf natürlich den geplanten Raub, den Raketenabschuss
des indischen Jets.
Hajo Kunnrich liebte seinen
Porsche. Der war neu und sauteuer gewesen. Dass jemand wie der schöne Hajo so
einen Wagen fuhr, konnte verwundern. Das Statussymbol (Wohlstandszeichen) entsprach nicht seinem offiziellen Beruf, seiner Stellung. Da verdiente er
nicht allzu viel und ein bescheidenes Fahrzeug der unteren Mittelklasse wäre
angemessen gewesen.
Denn Hajo war Angestellter einer
Werttransportfirma, der A. AXELMANN SECURITY. Das A. stand für Adolf, den wohl
unpopulärsten Vornamen seit 1945, und wurde vom Firmeninhaber schamhaft
verschwiegen. Sogar von seiner Frau ließ er sich mit »Axelmann« anreden. Wenn
die Stimmung gut war, wurde daraus »Axel« oder »Männi«.
Die Firma galt als seriös, war
seit Jahren gut im Geschäft und übernahm Geld- und Werttransporte für Banken,
Kaufhäuser, Firmen, Juweliere und staatliche Institutionen. Manchmal hatten die
gepanzerten Fahrzeuge mehrere Millionen an Bord. Der Fahrer und sein Kollege
waren bewaffnet. Man fuhr immer zu zweit. Ein verantwortungsvoller und im
Allgemeinen eher ruhiger Job, der nach Tarif bezahlt wurde. Und von dieser
Entlohnung hätte Hajo niemals einen werksneuen Porsche finanzieren können.
Dennoch besaß er ihn, ohne dass jemand misstrauisch wurde, da ihn die Glücksfee
mit ihrem Zauberstab berührt hatte. Ein Lotterielos. 200 000 Euro Gewinn. Er
konnte den Porsche kaufen und brauchte nicht zurückzugreifen auf sein heimlich
gebunkertes Beutegeld aus den Autodiebstählen für die Russenmafia.
Sonja trug heute einen
schwarzen Lederanzug und rauchte Kette. Hajo hatte seinen weißen
Kaschmirpullover übergestreift und dazu einen Regenmantel, wie ihn englische
Buchhalter bevorzugen.
Beim Russenhaus parkten sie vor
der Garage. Dowasch stand beim Hauseingang und breitete grinsend die Arme aus.
»Hallo, ihr beiden.«
Sonja küsste ihn auf die Wange,
hatte das von Anfang an getan, weil sie meinte, unter Russen wäre das üblich
bei jeder Gelegenheit. In TV-Sendungen hatte sie beobachtet, wie russische
Politiker bei der Begrüßung innige »Bruderküsse« austeilten, obwohl
genüssliches Kehledurchschneiden der Stimmung entsprochen hätte. Also
Falschheit total — und Sonja
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