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Nora Morgenroth: Die Gabe

Nora Morgenroth: Die Gabe

Titel: Nora Morgenroth: Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Michelsen
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Blumenkübel geschlagen. Als sie nicht gleich wieder aufstand, hatte van der Brelie die Wohnung verlassen, angeblich in Panik. Im Treppenhaus traf er zufällig auf Siegfried Anders. Die beiden Männer verband schon länger so etwas wie eine Geschäftsverbindung. Die hatte vor Jahren damit begonnen, dass der eine seine Verbindungen zur Hausverwaltung nutzte, damit der andere das Loft im obersten Stockwerk unter falschem Namen anmieten konnte. Sie waren äußerst geschickt vorgegangen. Es gab keine direkte Verbindung zwischen dem Stadtrat, der Wohnung und Siegfried Anders. Wie dieses ungleiche Gespann überhaupt zueinandergefunden hatte, ließ sich nicht mehr endgültig erhellen. Vielleicht waren sie sich im Rotlichtmilieu begegnet. Was der Hausmeister von dem Arrangement hatte, blieb ebenfalls im Dunkel, vermutlich ging es um Geld. Wie viel geflossen war, kam nicht heraus. Sicherlich hatte er sich für sein Schweigen gut bezahlen lassen. Van der Brelie behauptete hingegen, der Hausmeister sei gegenüber einigen von Yasmines Vorgängerinnen im Loft zudringlich geworden. Eines Tages habe er gedroht, das ganze Arrangement auffliegen zu lassen, wenn sie ihm nicht ebenfalls zu Willen wären. Immer mehr Geld hätte er zudem verlangt. Anders hingegen bestritt beides vehement. Es war letztendlich auch unerheblich für die Frage, wie Yasmine Abassian zu Tode gekommen war. Am Ende überschlugen sich John van der Brelie und Siegfried Anders, jeweils dem anderen den größeren Teil der Schuld zuzuschieben. 
    Der Politiker schwor, dass er seinem Mitwisser an jenem Abend nur zugeraunt habe, er solle sich um die verletzte Frau im Loft kümmern. Keinesfalls habe er gewollt, dass Yasmine etwas zustieße. Er sei in Panik und in Sorge gewesen. Angeblich sei er ohnehin schon verspätet auf dem Weg zu einem wichtigen Termin gewesen. Darum habe er seinen alten Bekannten ersucht, sich darum zu kümmern, dass es Frau Abassian gut ginge. Dagegen sagte Anders aus, dass die genauen Worte des Stadtrats gewesen seien: „Schaff mir das Problem vom Hals, sonst bist du auch mit dran.“
    Er, Siegfried Anders, sei umgehend nach oben gelaufen, nicht ahnend, was er dort vorfinden würde. Die Wohnungstür habe er ohne Weiteres öffnen können, er habe ja einen Generalschlüssel besessen. Angeblich hatte er zunächst nach Frau Abassian gerufen und war erst dann, als niemand antwortete, besorgt durch die Wohnung gelaufen. Schließlich habe er die junge Frau auf der Dachterrasse vor der Balkonbrüstung liegend gefunden. Sie habe nur leise gestöhnt, als er ihr habe aufhelfen wollen. Plötzlich habe er die Nerven verloren, habe alles, sein ganzes Leben, ihm entgleiten sehen: Seine Frau würde ihn verlassen, er würde seinen Job verlieren, vielleicht sogar ins Gefängnis gehen, schließlich hatte er die Mietverträge für van der Brelie gefälscht und Geld dafür genommen. Das wäre dann ja alles herausgekommen. Und dann – ja, sogar damit rückte der Hausmeister heraus – habe er unbedingt noch die Kamera entfernen müssen. Er hätte gleich daran denken sollen, aber nun sei es zu spät gewesen. Wenn sie jetzt zu sich käme, habe er gedacht und ihn dabei beobachtete, wie er in ihr Schlafzimmer ginge, wo er rein gar nichts zu suchen hatte. Was, wenn sie jetzt die Augen aufschlüge und die Polizei riefe? Wer wisse denn, was die dann alles fragen und herausfinden würden? Wenn Stadtrat van der Brelie des tätlichen Angriffs in dieser Wohnung angezeigt würde, da bliebe doch kein Stein auf dem anderen…
    Das alles sei ihm durch den Kopf geschossen, als er Yasmine schon hochgehoben hatte . Schaff mir das Problem vom Hals, sonst bist du auch mit dra n .
    Er habe schlicht und einfach Angst gehabt, Angst vor dem mächtigen Stadtrat . Der könne doch machen, was er wollte. Er, Anders, habe ja unlängst mit eigenen Augen gesehen, wie die andere junge Frau vor dem Haus überfallen worden war. Er habe gleich geahnt, wer dahinter steckte. Seitdem habe er um seine eigene Sicherheit gefürchtet. Aber an jenem Abend habe er Frau Abassian wirklich nur helfen wollen. Doch dann sei er in Panik geraten. Er habe einfach den Kopf verloren und sei mit der jungen Frau auf den Armen einen Schritt vorgetreten. Und dann noch einen. Es sei ganz leicht gegangen, hatte Siegfried Anders schließlich unter Tränen zu Protokoll gegeben, sie sei ja so zierlich gewesen, fast wie ein Kind.
    Den Rest erzählte Oliver mir wie folgt:
    Als der kurze, dumpfe Aufprall kam, befand der

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