Nora Roberts
sollte wieder fahren – ich hätte gar nicht herkommen
dürfen. Noch während er darüber nachdachte, stieg er die Treppe zur Haustür
empor. Er sagte sich, er sollte umkehren, zurück zu seinem Wagen gehen und nach
New York zurückfahren. Im Stillen den Teufel verfluchend, der ihn geritten
hatte, sich auf diesen Weg zu machen, hob er die Hand, um an die Tür zu
klopfen.
Noch ehe
seine Faust das verwitterte Holz berührte, flog die Tür auf. Er hörte Jessicas
unbeschwertes Lachen, spüre Fell an seinem Bein vorbeistreifen, sah sie durch
die Tür stürmen und erwischte sie gerade noch, bevor sie ihn umrannte.
Alles,
alles was er zu vergessen versucht hatte, nahm in diesem Augenblick wieder
Gestalt an – die Erinnerung, wie sie sich anfasste, wie sie duftete, der
Geschmack ihrer Haut auf seinen Lippen. Dann warf Jessica den Kopf zurück und
sah ihm direkt ins Gesicht.
Ihre Augen
glitzerten vor Lebendigkeit, ihre Haut war vom Lachen gerötet. Während er wie
angenagelt vor ihr stand, formten ihre Lippen ein Lächeln für ihn, dass ihm die
Knie weich wurden.
»Hallo,
Slade. Entschuldige, wir hätten dich beinahe niedergewalzt.«
Ihre Worten
enthielten mehr Wahrheit, als sie ahnte, dachte er. Er ließ sie los und machte
einen Schritt zurück. »gehst du aus?«
»Nur schnell
mit Ulysses an den Strand.« Jessica warf einen Blick über die Schulter. »Und
jetzt ist er weg.« Sie drehte sich wieder zu Slade um und streckte ihm die Hand
entgegen. »Schön, dich zu sehen. Komm doch auf einen Drink rein.«
Zögernd
trat Slade durch die Tür, ergriff jedoch nicht die angebotene
Hand. Jessica warf ihre Jacke wie üblich über den Treppenpfosten und schloss,
während sie ihm den Rücken zukehrte, für einen Moment die Augen. »Komm, lass
uns in den Salon gehen«, rief sie kurz darauf fröhlich. »Ich habe Feuer im
Kamin gemacht.«
Ohne seine
Antwort abzuwarten, rannte Jessica vorneweg. Sie bewegte sich wieder mit ihrer
gewohnten Geschwindigkeit, stellte Slade fest. Und die Schatten unter ihren
Augen waren auch verschwunden – als hätten sie nie existiert. Sie war wieder
die Jessica, die er kannte – eine Frau mit unerschöpflicher Energie. Er folgte
ihr ganz langsam in den Salon, wo sie ihm bereits einen Scotch einschenkte.
»Ich freue
mich ja so, dass du gekommen bist«, sagte sie und hob eine Karaffe hoch, von
der sie nicht wusste, was sie enthielt. Ohne ihren Redefluss zu unterbrechen,
schenkte sie auch für sich ein Glas ein. »Das Haus ist so leer. Die ersten Tage
war es ja wundervoll, aber jetzt bedaure ich es fast, dass ich alle
fortgeschickt habe. Ich musste natürlich ein Lügenmärchen erfinden, um sie los
zu werden.« Du redest viel zu schnell, ermahnte sie sich, konnte sich aber
nicht bremsen. »Ich habe David und den Angestellten erzählt, ich würde nach
Jamaika fliegen, um mich eine Woche in die Sonne zu legen, dann habe ich jedem
ein Flugticket in die Hand gedrückt und sie aus dem Haus gescheucht.«
»Du
solltest nicht allein sein.« Er sah sie grimmig an, als sie ihm sein Glas
reichte.
»Warum
nicht?« Lachend warf sie das Haar zurück. »Ich habe es nicht mehr ertragen, wie
eine Kranke behandelt zu werden. Das Vergnügen hatte ich in der Klinik lange
genug.« Sie nippte an ihrem Drink und schlenderte zum Kamin. Sie wollte ihm
nicht zeigen, wie verletzt sie war. Jeden Tag, den sie in diesem sterilen Krankenzimmer
verbringen musste, hatte sie auf seinen Anruf gewartet, hatte darauf gehofft,
dass die Tür aufging und Slade sie besuchen kam. Aber nichts. Er hatte sich aus
ihrem Leben geschlichen, als sie zu schwach gewesen war, ihn daran zu hindern.
Slade starrte auf ihren schmalen, geraden Rücken und fragte sich, wie er sich
wieder verabschieden konnte, ohne sie anzufassen.
»Wie geht
es dir?«, erkundigte er sich knapp.
Jessica
schloss ihre Hand fester um das Glas. Interessiert dich das wirklich?, dachte
sie und spülte die Worte mit einem kräftigen Schluck hinunter. Dann drehte sie
sich lächelnd zu ihm zu. »Wie sehe ich aus?«
Er starrte
sie an und spürte, wie sich in seinem Magen ein Feuerball des Verlangens
entzündete. »Du solltest etwas Gewicht zulegen.«
Sie lachte
kurz auf. »Vielen Dank für das Kompliment.« Um sich abzulenken, ging sie zum
Klavier und klimperte auf den Tasten herum. »Hast du deinen Roman fertig
geschrieben?«
»Ja.«
»Dann läuft
für dich ja alles prima.«
»Ja.« Er
nahm einen großen Schluck Scotch, um den Schmerz in seinem Magen zu betäuben.
»Hat
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