Nora Roberts
kleinen Stadt wie dieser bekommt man dabei die Details
notgedrungen mit.«
Sie hielt
für einen Moment inne und redete dann in jener trägen, für die Küste so
typischen Sprechweise weiter. »Die alte Mrs Wilcox ist gestorben – wäre im
nächsten September neunundachtzig geworden. Ist vom Markt nach Hause gekommen
und hatte einen Schlaganfall mitten in der Küche, als sie gerade ein paar
Dosen wegräumte. Zu schade, dass sie sich nicht mehr mit ihrer Schwester
versöhnt hat, bevor es zu spät war. Die haben ja in zwölf Jahren kein Wort mehr
miteinander gewechselt.«
»Das ist
gut.« Cam stützte belustigt das Kinn auf seine Hand. Bei Dru steckte also mehr
als nur gutes Aussehen und Köpfchen dahinter. Wenn sie erst einmal aufgetaut
war, spürte man ihre Wärme und ihren Humor.
Seth war
völlig hingerissen von ihr.
»Und ich
dachte, es ginge um nichts weiter als darum, Blumensträuße zu verkaufen«, sagte
Cam.
»Oh, es ist
eine Menge mehr als das. Wenn ein Mann ganz aufgeregt hereinkommt, weil ihm
sein Hochzeitstag erst im letzten Moment eingefallen ist, dann ist es nicht nur
meine Aufgabe, ihm die richtigen Blumen in die Hand zu drücken, sondern auch
diskret zu sein.«
»Wie ein
Priester«, warf Cam ein und brachte sie damit zum Lachen.
»Das ist
gar kein schlechter Vergleich. Sie glauben gar nicht, wie viele Beichten ich zu
hören bekomme. Und das gehört alles mit zu meinem Alltag im Laden.«
»Sie lieben
Ihre Arbeit«, murmelte Anna.
»Ja, das
tue ich. Das tue ich wirklich. In Washington« – Dru stellte erstaunt fest, wie
leicht es ihr fiel, einfach so drauflos zu reden – »war alles anders. Hier kann
ich genau das Leben führen, nach dem ich mich gesehnt habe.«
Seth
begleitete Dru nach Hause, wo sie sich noch ein wenig auf die Verandastufen
setzten und den Glühwürmchen bei ihrem Tanz zusahen.
»Hat dir
der Abend Spaß gemacht?«
»Oh ja, das
hat er. Erst das Abendessen und die Gelegenheit, deine Familie ein bisschen
besser kennen zu lernen, und dann das Segeln.«
»Das freut
mich.« Er zog ihre Hand an seine Lippen. »Denn wie ich Anna kenne, wird sie
schon dafür sorgen, dass die anderen von unser Beziehung erfahren, und das
heißt, du wirst demnächst wohl auch von Grace und Sybill eingeladen werden.«
»Oh.« Daran
hatte Dru gar nicht gedacht. »Das werde ich natürlich erwidern müssen. Ich
könnte ja alle zusammen einmal zu mir einladen und ...«
Natürlich
würde sie das Essen bestellen. Und sie musste sich etwas einfallen lassen, wie
man wohl eine solche Zahl von Teenagern am besten unterhielt.
»Ich
fürchte, damit bin ich etwas überfordert«, gab sie schließlich zu. »Die Art von
Dinnerparty, die ich von meinem früheren Leben gewöhnt bin, ist hier nicht
unbedingt passend.«
»Möchtest
du denn wirklich alle einladen?« Seth fand Gefallen an dieser Idee. »Dann
besorgen wir uns am besten einen Grill und veranstalten alles draußen. Wie
wäre es mit Steaks und Maiskolben? Nichts Kompliziertes.«
Wir, dachte sie. Irgendwie war aus zwei
Individuen ein Wir geworden. Sie war sich nicht ganz sicher, was sie dabei
empfand.
»Ich wollte
dich schon lange etwas fragen.« Er lehnte sich auf der Stufe zurück, sodass er
ihr Profil studieren konnte. »Wie ist es, wenn man mit so viel Schotter aufwächst?«
Ihre
Augenbraue wanderte auf jene gewisse Art in die Höhe, die er so liebte. »Wir
bevorzugten zu Hause den Ausdruck > vermögend < . Und es hat gewisse
Vorteile.«
»Das kann
ich mir gut vorstellen. Also wir haben wohl geklärt, warum die Kleine aus der
High Society mit dem vielen Schotter einen Blumenladen am Meer betreibt – aber
wie kommt es, dass sie keine Haushaltshilfe, keine Bediensteten, keine
Angestellten hat?«
»Ich habe
ja Mr G. Es funktioniert ganz wunderbar mit ihm. Er ist flexibel, zuverlässig,
und er mag Blumen. Und später werde ich noch jemanden auf Teilzeitbasis einstellen.
Aber ich musste ja erst sichergehen, ob das Geschäft überhaupt gut genug läuft,
um das rechtfertigen zu können. Ich werde mich schon bald nach jemandem umsehen.«
»Aber du
machst weiter die Buchführung.«
»Das macht
mir Spaß!«
»Genauso
wie die Bestellungen und die Überprüfung des Warenbestands und was sonst noch
so nötig ist.«
»Das macht
mir auch alles Spaß und außerdem ...«
»Schon gut,
ich habe es ja begriffen. Jetzt geh doch nicht gleich in die Defensive.«
Amüsiert stellte Seth fest, dass sich Drus Schultern versteiften. »Du hältst
eben gern das Ruder in
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