Nora Roberts
nicht
allein da. Niemand in dieser Familie tut das jemals.«
Damit hat
sie Recht, dachte Seth, als er auf die Bootswerkstatt zufuhr, als Quinn steht
man niemals allein da.
Aber er war
sich trotzdem nicht sicher, ob er es über sich bringen würde, den anderen von
den Schwierigkeiten zu erzählen, von denen er fürchtete, dass sie ihn sogar bis
hierher, wo er zu Hause war, verfolgen würden.
Drei
Als Dru
die nächsten Kunden
bedient hatte und wieder allein im Laden war, zog sie die Zeichnung aus ihrer
Tasche.
Seth Quinn.
Seth Quinn wollte sie malen. Wie faszinierend! So faszinierend wie der
Künstler selbst. Eine Frau durfte einen Mann doch wohl faszinierend finden,
ohne wirklich an ihm interessiert zu sein.
Denn das
war sie ja schließlich nicht.
Sie
verspürte kein Verlangen danach, zu posieren, genau gemustert und verewigt zu
werden. Nicht einmal von solch talentierten Händen. Aber die Vorstellung
erfüllte sie mit Neugier, genauso wie sie neugierig darauf war, mehr über Seth
Quinn zu erfahren.
In dem
Artikel, den sie über ihn gelesen hatte, war es unter anderem um einige Details
aus seinem Privatleben gegangen. Daher wusste sie, dass er als Kind hierher gekommen
war und ein Zuhause bei Ray Quinn gefunden hatte, bevor dieser bei einem
Autounfall ums Leben gekommen war. Etwas an der Geschichte war undurchsichtig
geblieben, und seine Eltern waren nicht erwähnt worden. In dieser Hinsicht
schwieg Seth sich in dem Interview aus. Der Leser erfuhr lediglich, dass Ray
Quinn sein Großvater gewesen war und sich dessen Adoptivsöhne nach seinem Tod
mit Hilfe der Ehefrauen, die nach und nach hinzugekommen waren, um ihn
gekümmert und ihn großgezogen hatten.
Für meine
Schwestern, hatte er gesagt, als er die Blumen gekauft hatte. Vielleicht waren
sie wirklich für jene Frauen gewesen, die er als Schwestern ansah.
Aber das
sollte ihr eigentlich gleichgültig sein.
Sie
erinnerte sich daran, was der Artikel über Seths Arbeit berichtet hatte, und
darüber, wie seine Familie sein Talent gefördert hatte. Sie hatte seinen
Wunsch, in Europa zu studieren, voll und ganz unterstützt.
Drus
Ansicht nach konnte sich ein Junge in dieser Situation verdammt glücklich
schätzen. Seine Familie liebte ihn so sehr, dass sie ihn ziehen ließ, ihm
zugestand, auf sich allein gestellt Dinge zu entdecken, die Erfahrung zu
machen, auch einmal zu versagen oder Erfolge zu feiern. Und dann hatte sie ihn
– offenbar ebenso selbstlos – wieder in ihren Schoß aufgenommen.
Dennoch
konnte sie sich nur schwer vorstellen, dass der Mann, den die Italiener il maestro
giovane – der junge Meister – getauft hatten, sich in St. Christopher
niederlassen würde, um Meeresansichten zu malen.
Wahrscheinlich
fällt es den vielen Bekannten von Drusilla Whitcomb Banks, die immerhin zu den
oberen Zehntausend zählt, ebenso schwer, sich vorzustellen, wie sie Blumen in
einem kleinen Laden am Meer verkauft, dachte Dru.
Es war ihr
egal, was die Leute von ihr dachten oder über sie erzählten – und Seth Quinn
hatte in dieser Hinsicht offenbar die gleiche Einstellung wie sie. Sie war
hierher gekommen, um all den Forderungen und Erwartungen zu entfliehen, dem
klammernden Griff ihrer Familie und dem Gefühl, in dem endlosen Tauziehen, das
ihre Eltern miteinander veranstalteten, missbraucht zu werden.
Sie war
nach St. Chris gekommen, um Frieden zu finden, den Frieden, nach dem sie sich
fast ihr ganzes Leben lang gesehnt hatte.
Und sie war
dabei, ihn zu finden.
Auch wenn
ihre Mutter begeistert gewesen wäre – vielleicht auch gerade weil ihre
Mutter begeistert gewesen wäre –, dass Seth Quinn sich für ihre kostbare Tochter
interessierte, hatte Dru nicht die Absicht, dieses Interesse zu schüren. Weder
das des Künstlers, noch das des Mannes, das sie in seinen Augen erkannt hatte,
als er sie anblickte.
Und auch
nicht ihr eigenes Interesse an ihm, dieses rein sexuelle Verlangen, das sie für
ihn empfunden hatte.
Die Quinns
waren, wie sie gehört hatte, eine große, unübersichtliche Familie – und Dru
hatte weiß Gott die Nase voll von Familien.
Eigentlich
eine Schande, das musste sie sich eingestehen, als sie die Karte gegen ihre
Handfläche klopfte, bevor sie sie in eine Schublade fallen ließ. Der junge
Meister war attraktiv und amüsant. Und jeder Mann, der sich die Mühe machte,
Blumen für seine Schwestern zu kaufen und dann auch noch sicher gehen wollte,
dass er mit seinem Kauf den Geschmack jeder einzelnen Beschenkten traf, erntete
in
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