Nora Roberts
ihren Augen Pluspunkte.
»Schade für
uns beide«, murmelte sie und knallte die Schublade entschlossen zu.
Seth
dachte an Dru und
überlegte, welche Perspektiven und Farben bei einem Porträt am besten wirken
würden. Ihm gefiel die Vorstellung von einer Dreiviertelansicht ihres
Gesichtes, auf der sie den Kopf leicht nach links gewandt hielt, während ihre
Augen den Betrachter von der Leinwand aus ansahen.
Das würde
den Kontrast zwischen ihrem kühlen Auf treten und ihrer erotischen
Ausstrahlung gut zur Geltung bringen.
Er
zweifelte keinen Moment daran, dass Dru für ihn Modell sitzen würde.
Schließlich besaß er ein ganzes Arsenal von Waffen, um die Gegenwehr eines
potenziellen Modells zu überwinden. Alles, was er tun musste, war, zu
entscheiden, welche davon bei Drusilla am besten geeignet wäre.
Während
Seth mit den Fingern zur Musik von Aerosmith, die aus dem Autoradio dröhnte,
auf das Lenkrand trommelte, dachte er darüber nach.
Ihre
Familie hatte Geld. Er war durchaus imstande, einen Designerschnitt und einen
guten Stoff zu erkennen, auch wenn er mehr an dem interessiert war, was in dem
Kleid steckte. Außerdem war ihm ihre Aussprache aufgefallen, die sie mit
Sicherheit einer erstklassigen Privatschule zu verdanken hatte.
Sie hatte
James McNeill Whistler für den Namen ihres Ladens bemüht. Was ebenfalls darauf
schließen ließ, dass sie eine sehr privilegierte Schulbildung genossen haben
musste.
Man spürte,
dass Dru sich wohl in ihrer Haut fühlte und nicht nervös wurde, wenn ihr ein
Mann signalisierte, dass er sie attraktiv fand.
Sie war
nicht verheiratet, und sein Instinkt sagte ihm, dass sie auch nicht anderweitig
gebunden war. Eine Frau wie Dru krempelte nicht ihr Leben um, um einem Freund
oder einem Liebhaber hinterher zu ziehen. Sie war aus Washington gekommen,
hatte ein Geschäft gegründet und führte es allein, weil es genau das war, was
sie wollte.
Dann fiel
Seth ein, wie falsch er mit seinen Vorstellungen von der angeblichen Witwe
Whitcomb Banks gelegen hatte, und entschied sich, vorerst noch keine Wetten auf
seine Theorien über Dru abzuschließen. Lieber wollte er ein paar
Nachforschungen anstellen, bevor er sich ihr wieder näherte.
Er bog auf
den Parkplatz vor dem alten Backsteingebäude ein, das die Quinns Nancy
Claremont abgekauft hatten, nachdem ihr knauseriger, sturer Ehemann während
eines Streits mit Cy Crawford über den Preis eines Frikadellen-Sandwichs an
einem Herzinfarkt gestorben war.
Ursprünglich
hatten sie das riesige Gebäude nur gemietet. Es war im 18. Jahrhundert einmal
ein Tabak-Lagerhaus gewesen, hatte im 19. Jahrhundert als Abpackbetrieb
hergehalten und den größten Teil des 20. Jahrhunderts als Abstell- und
Lagerraum gedient.
Dann hatten
die Quinn-Brüder das Haus mit einigem Aufwand in eine Bootswerkstatt
verwandelt, und seit acht Jahren gehörte es nun ihnen.
Als er aus
dem Wagen stieg, blickte Seth zum Dach hinauf. Er erinnerte sich daran, wie er
geholfen hatte, es neu zu decken und sich dabei fast den Hals gebrochen hätte.
In jenen
ersten Jahren hatte er sich häufig an dem heißen Spezialgemisch, das jeweils
zur Hälfte aus erhitztem Leinöl und Terpentin bestand, die Finger verbrannt,
hatte mit Hilfe von Ethans unendlicher engelsgleicher Geduld gelernt, wie man
Planken durch Überlappung verbindet, hatte neben Garn wie ein Schwein
geschwitzt, als sie das Dock reparierten und jede nur erdenkliche Möglichkeit
zur Flucht genutzt, wenn Phil wieder einmal mit dem Schuhanzieher hinter ihm
her war, um ihn in sein Büro zu treiben, wo er ihm die Buchführung beizubringen
versuchte.
Er ging auf
die Vorderseite des Hauses zu und blieb für einen kurzen Augenblick grinsend
und mit in die Hüften gestemmten Fäusten vor dem verwitterten Schild stehen. BOATS BY QUINN. < Er bemerkte, dass den vier Namen, die von Anfang an dort
gestanden hatten, ein weiterer hinzugefügt worden war.
Aubrey
Quinn.
Er grinste
immer noch, als die Vordertür aufgestoßen wurde und Aubrey heraustrat.
Sie trug
einen Werkzeuggürtel um die Hüften und eine tief in die Stirn gezogene Kappe
der Baltimore Orioles. Ihr Haar, das die Farbe von dunklem Honig hatte,
hatte sie hinten durch die Öffnung gezogen, und dort wippte es jetzt auf und
ab.
Ihre
verschrammten, fleckigen Arbeitsstiefel sahen aus, als gehörten sie einer
Puppe, denn sie hatte sehr kleine Füße.
Und eine
sehr kräftige Stimme, dachte er, als sie ein lautes Freudengeschrei anstimmte
und auf ihn zugestürmt
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