Noras großer Traum (German Edition)
Gesicht.
»Wohl eher ›und so ...‹, wenn du mich fragst.«
Alexander lächelte über den Sarkasmus seines Freundes.
»Ja, es ist eben passiert. Aber weißt du was? Ich finde, es gibt größere Katastrophen im Leben. Dinge, die sich nie wieder hinbiegen lassen. Ich denke jetzt an Sophies Tod. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was einem da für Gedanken durch den Kopf gehen, Dinge, die ich ihr noch hätte sagen wollen, Jahre, die ich noch mir ihr hätte leben wollen. Ganz ehrlich, Max, wenn ich die Wahl hätte, meine Frau wiederzubekommen, aber schwanger von einem anderen, ich wüsste, wie ich mich entscheiden müsste.«
Max hatte widerwillig zugehört. In seinem Inneren wusste er, dass Alexander Recht hatte. Doch er fühlte sich noch zu verletzt, als dass er schon hätte einlenken können. Missmutig griff er wieder nach seinem Weinglas und nahm einen großen Schluck.
Alexander hatte sich vorgebeugt und schaute seinen Freund an. »Nora liebt dich und die Kinder, sonst hätte sie sich doch nicht schon vor Wochen für euch entschieden.« Und eindringlich fügte er hinzu: »Sie ist selbst todunglücklich darüber, dich verletzt zu haben. Sie hat am Telefon so geweint, dass ich sie kaum verstehen konnte.«
Max rieb sich die Schläfe und sah trotzig auf.
»Leider kommt ihre Reue ein wenig spät.«
Alexander seufzte. »Ach, Max, du hast ja irgendwo Recht, aber wäre es dir lieber, wenn sie jetzt vielleicht packt und nach Australien fliegt? Möchtest du das? Willst du sie verlieren?«
Max kippte den Wein in sich hinein.
»Verdammt, ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, ob ich ihr je wieder vertrauen könnte. Und ich kann mir verdammt noch mal überhaupt nicht vorstellen, dieses Kind aufzuziehen.«
Alexander streckte seine Beine aus und sah Max abwartend an. »Nun, vielleicht will das ja dieser andere Mann? Wer weiß denn, ob er nicht um Nora und sein Kind kämpfen wird, wenn er es erfährt? Ich kann mir vorstellen, dass er ein aufrechter Kerl ist, denn mit jedem X-Beliebigen hätte Nora sich nicht eingelassen.«
»Du musst es ja wissen.«
»Nein, Max, so viel weißt du auch! Denk wenigstens noch einmal über alles nach, und mach nicht aus gekränkter Eitelkeit den größten Fehler deines Lebens. Überleg dir gut, was du alles verlieren würdest.«
29
N ora wälzte sich im Bett ruhelos von der einen auf die andere Seite. Aus brennenden Augen warf sie einen Blick auf den Wecker. Drei Uhr dreißig. Mein Gott, wenn sie jetzt nicht endlich einschliefe, könnte sie auch gleich aufbleiben. Unwillkürlich folgten ihre Augen den Lichtreflexen, die der Mond durch die kahlen Zweige der Bäume an die Zimmerdecke warf. Sie war so durcheinander wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Spöttisch verzogen sich ihre Mundwinkel. Nicht einmal in Sydney war ihre Verfassung schlimmer gewesen, als sie plötzlich Tom vor der Klinik entdeckt hatte.
Sie seufzte. Sie wollte Max nicht verlieren, den Kindern nicht das vertraute Familienleben zerstören. Außerdem hatte sie keine Ahnung, ob es richtig oder falsch wäre, Tom zu informieren. Im Grunde wusste sie nicht einmal, wie sie selbst zu dem Baby stand. Max und sie hatten mit der Familienplanung abgeschlossen und ihre Familie als perfekt empfunden. Auch hatte Nora nach Niklas und Marie nie wieder diese eigenartige, unstillbare Sehnsucht gepackt, noch einmal selbst ein Baby zu bekommen und zu umsorgen. Sie hatte dies als sicheres Zeichen genommen, dass es so, wie es war, gut war. Natürlich liebte sie Kinder, und wenn im Freundes- oder Bekanntenkreis Kinder geboren wurden, freute sie sich begeistert mit den Eltern. Aber selbst noch einmal schwanger zu werden, den Wunsch hatte sie nicht mehr gehabt. Obwohl jetzt vielleicht ein Abbruch der Schwangerschaft ihre Ehe gerettet hätte, wäre diese Lösung nie für Nora in Frage gekommen. Und dennoch dachte sie beklommen an die Schmerzen einer weiteren Entbindung, an schlaflose Nächte, Babykoliken, unzählige Kinderarzttermine, Windel- und Wäscheberge und die Aussicht, erneut etliche Jahre Verantwortung übernehmen zu müssen und in gewisser Weise wieder angebunden zu sein. Sie schluckte und drehte sich auf den Rücken. Zögernd legte sie beide Hände auf ihren Bauch. Trotz all dieser Überlegungen hatte sie noch immer nicht endgültig verinnerlicht, dass da ein kleiner, eigenständiger Mensch in ihr heranwuchs, dem es obendrein völlig egal zu sein schien, ob er in ihre Vorstellungen und Lebensplanungen hineinpasste oder nicht. Auch
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