Noras großer Traum (German Edition)
sah ihn aus geröteten Augen an. In ihrem Blick lag so viel Verzweiflung, dass er nun alarmiert nach ihrer Hand griff.
»Bist du krank? Oder ist etwas mit deinen Eltern?« Sie schüttelte den Kopf und begann leise zu sprechen.
»Max, ich liebe dich. Ich möchte, dass du das weißt, denn das, was ich dir jetzt sagen werde, wird dich verletzen und an mir zweifeln lassen.« Er war blass geworden und wollte gerade den Mund öffnen, doch sie fuhr fort: »Bitte sag jetzt nichts und hör mir nur zu. Wenn du mich unterbrichst, weiß ich nicht, ob ich noch die Kraft haben werde, dir alles zu erzählen.«
Sie holte tief Luft und sah ihn wieder an. »Es gab in Australien einen anderen Mann für mich, der mir auch viel bedeutet hat. Ich hatte wirklich nichts dergleichen geplant. Es ist einfach passiert. Er war kein Abenteuer, trotzdem habe ich mich für dich und die Kinder entschieden, weil ich euch liebe und zu euch gehöre. Ich hätte das alles für mich behalten, und es tut mir unendlich Leid, dass ich dich nun damit verletzen muss, aber es geht nicht anders.«
Max starrte sie an. Dann sprang er auf und lief mit großen Schritten auf und ab. Sein Gesicht verriet ungläubiges Entsetzen. Mit einer fahrigen Geste fuhr er sich durch das kurze Haar. Schließlich blieb er stehen und schaute sie an.
»Wer?« Als sie nicht gleich antwortete, herrschte er sie an. »Wer, verdammt noch mal?«
»Tom. Tom Morrison. Er ist ...«
»Ich weiß, wer er ist. O Gott, Nora! Du bist seit sechs Wochen wieder hier. Wir leben zusammen, als wäre nie etwas geschehen! Warum? Warum hast du nichts gesagt?«
Sie sah zu Boden. »Ich habe diesen Mann in Australien hinter mir gelassen, weil ich zu euch gehöre. Als mir das klar wurde, wollte ich dir nichts mehr sagen, weil ich wusste, dass ich dich verletzen würde. Glaub mir, Max, ich ...«
Er unterbrach sie und fuchtelte mit der Hand in der Luft herum. Er war laut geworden.
»Ich kann dir gar nichts mehr glauben! Hörst du? Nichts mehr!« Nora schwieg und knetete verzweifelt ihre Finger. Max war vor dem Fenster stehen geblieben und sah hinaus in den Garten. Er schien nachzudenken. Unvermittelt fuhr er herum und starrte sie an.
»Warum musstest du es mir jetzt sagen?«
Nora schluckte, bevor sie mit tonloser Stimme antwortete: »Ich bin schwanger, Max.«
Fassungslos schaute er sie wieder an und fragte überflüssigerweise: »Von ihm?«
»Ich bin in der neunten Woche.«
Er schnappte hörbar nach Luft und lief erneut hin und her. Er war so wütend, dass er hätte schreien mögen. Das konnte doch einfach nicht wahr sein. So etwas passierte doch nur im Fernsehen. Er glaubte platzen zu müssen.
»Ich muss hier raus!«
Nora hörte ihn in der Diele an der Garderobe hantieren, bevor kurz darauf die Tür ins Schloss fiel. Bewegungslos blieb sie sitzen. Sie fühlte nichts mehr.
28
M ax war ziellos durch die Stadt gefahren. Schließlich hatte er den Wagen geparkt, stand mit hochgeschlagenem Mantelkragen am Hafen und schaute auf das dunkle Wasser. Er konnte nicht glauben, was Nora ihm erzählt hatte. Auch war er sich nicht sicher, wie er sich verhalten sollte. Grenzenlos enttäuscht, dachte er zum ersten Mal an Scheidung. Nie wieder glaubte er ihr noch vertrauen zu können. Mit den Händen in den Manteltaschen stapfte er durch die Dunkelheit. Nach etwa einer Stunde hatte sich seine Anspannung etwas gelegt. Und auch zum ersten Mal in seinem Leben verspürte er den Wunsch, mit jemandem zu reden. Aber er musste sich eingestehen, dass er sich für Freunde nie die Zeit genommen hatte. Plötzlich fiel ihm Alexander ein. Er sah auf die Uhr, bevor er nach seinem Handy griff und die Nummer eintippte. Atemlos wartete er darauf, dass sich jemand meldete, und war kurz davor, die Verbindung zu unterbrechen, als er die Stimme des früheren Freundes vernahm.
»Hallo, Max. Schön, dass du dich meldest. Wie geht es euch?« »Alex, es tut wirklich gut, deine Stimme zu hören. Ich habe ein echtes Problem. Ich weiß, dass es schon spät ist, aber kann ich noch zu dir kommen?«
Alexander war besorgt. Das war nicht der Max, den er kannte, der vor Selbstsicherheit strotzte und von niemandem Ratschläge brauchte. Schnell antwortete er: »Natürlich, Max. Wo bist du denn?«
»In Hamburg.«
»Und du willst jetzt noch nach Hannover kommen?«, fragte er, doch sogleich fügte er hinzu: »Aber klar, komm nur.«
Fast mechanisch hatte Max die Strecke hinter sich gebracht, während seine Gedanken nur um seine Ehe kreisten. Als
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