Noras großer Traum (German Edition)
ihrem Kollegen eine Chance geben sollten. Der Verlag hat mir seriösen Journalismus zugesagt. Ein Vorabdruck müsste von uns auch erst genehmigt werden. Außerdem leisten wir hier gute Arbeit, und ich finde, wir brauchen das nicht zu verstecken. Vielleicht trägt dieses Buch ja in Europa dazu bei, uns auch dort noch bekannter zu machen, unsere Arbeit zu zeigen, was eventuell weitere Spenden nach sich ziehen würde. Und ihr wisst, der Flying Doctor Service ist auf Spenden angewiesen.« Er sah wieder zu Tom und Jason. »Spenden dieser Größenordnung sind selten, ganz besonders in Cameron Downs.«
Seine Rede hatte ihre Wirkung nicht verfehlt, auch Tom lenkte ein. »Okay, wenn du meinst. Wir können es ja versuchen.«
Jason nickte ebenfalls. »In Ordnung, Bill. An mir soll’s auch nicht liegen. Für ein neues Beatmungsgerät würde ich sogar den Yeti durch den Busch schleppen. Verrätst du uns denn noch, wer uns besuchen kommt?«
Bill war erleichtert, dass alle wieder wie gewohnt an einem Strang zogen. »Natürlich. Ich kenne aber auch nur die Namen. Die Journalistin heißt Nora Bergmann, und ihr Kollege, der Fotograf, ist mit Martin Sanders angegeben.« Er grinste. »Hoffentlich habe ich sie richtig ausgesprochen. Mit Deutsch kann ich leider nicht dienen. Aber immerhin hat der Verlag mir versichert, dass die beiden gut Englisch können.« Er sah Carol und Sam Winton entgegen, die gemeinsam mit ihrer Tochter Heather das Cameron Hotel führten und nun mit dem Abendessen aus der Küche kamen, das hübsch angerichtet auf großen Tellern lag. »Ah, Carol, das duftet ja köstlich.« Die anderen pflichteten ihm bei.
»Na, dann lassen Sie es sich auch schmecken. Guten Appetit.«
5
N ervös und aufgeregt hatte Nora sich von ihren Kindern und ihrem Mann am Hamburger Flughafen verabschiedet, bevor sie mit Martin Sanders ihre Reise antrat und zunächst für einen Nachmittagsflug nach Frankfurt eincheckte. Mit einem Magenkribbeln wandte sie sich noch ein letztes Mal um, um ihrer Familie zuzuwinken. Auch wenn sie glaubte, aus Vorfreude auf Australien innerlich platzen zu müssen, tat ihr dieser Moment des Abschieds von den wichtigsten Menschen in ihrem Leben für mehrere Wochen ungeheuer weh. Einen kurzen Moment lang stellte sie sich die Frage, ob sie das Ganze nicht doch noch bleiben lassen sollte. Beim Anblick ihrer fröhlich winkenden Kinder, die sie noch lachend aufforderten, doch ein Känguru für sie mitzubringen, riss sie sich aus ihren Zweifeln und folgte ihrem Kollegen. Insgeheim plagten sie, was Martin Sanders’ Berufserfahrung anging, außerdem so etwas wie Minderwertigkeitskomplexe, und obendrein wollte sie vor ihm nicht unprofessionell erscheinen. Auf dem Flug nach Frankfurt war sie deshalb sehr bemüht, ihre innere Nervosität abzulegen und einen gelassenen Eindruck zu erwecken. Martin jedoch war keineswegs entgangen, wie schwer es ihr fiel, den Abschied von ihrer Familie wegzustecken. Nach einer Weile des Schweigens lächelte er sie freundlich an. »Alles klar? Es ist sicher nicht so einfach, die Familie für ein paar Wochen in so weiter Entfernung zu wissen, nicht?«
Sie versuchte ihre Stimme möglichst normal und ruhig klingen zu lassen.
»Ja, Sie haben Recht, aber augenblicklich kann ich kaum sagen, welcher Gedanke mich mehr beunruhigt, der Abschied von der Familie oder ab Frankfurt einen Flug von etwa dreiundzwanzig Stunden vor mir zu haben.«
Er lachte und legte kurz den Kopf zurück. »Sie werden sehen, wir beide schaffen das schon.«
Die Flugbegleiter kamen mit dem Getränkewagen den engen Gang entlang, und Martin sah seine Kollegin nachdenklich an. »Wie wär’s, trinken Sie ein Glas Sekt mit mir? Auf unseren gemeinsamen Auftrag?«
Nora zögerte nur kurz. Sie fragte sich ein wenig unbehaglich, wie sich der Alkohol mit ihrer Aufregung und Anspannung mischen würde, wollte Martin Sanders aber keinen Korb geben. Also nickte sie. »Ja, gern.«
Wie selbstverständlich nahm er die beiden Piccolos entgegen, bezahlte, schenkte den perlenden Sekt in die Gläser ein, von denen er ihr eines reichte, und sagte: »Wären Sie einverstanden, wenn wir das förmliche Sie beiseite legen? Wir werden so viele gemeinsame Kilometer hinter uns bringen, dass ich mir das Du einfach besser vorstellen kann.«
Nora lächelte ihm nun freundlich zu und nickte erneut. »Gern.« Während Martin dann von seinem ersten Auftrag in Australien erzählte, hörte Nora interessiert zu und entspannte sich ein wenig. Ehe sie sich’s
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