Noras großer Traum (German Edition)
Umschlag und stand auf. Langsam wanderten seine Augen in die Ferne.
Es war richtig, so, wie es war, auch wenn es Schmerzen verursacht hatte. Kein Schatten ohne Licht. Alles gehörte irgendwie zusammen. Auch wenn er im Moment innerlich um ihre Liebe trauerte, hätte er zu keinem Zeitpunkt auf das Erleben der gemeinsamen Stunden mit ihr verzichten wollen, auch jetzt nicht. Er straffte die Schultern und sah zum Horizont. Morgen würde sein Dienst in der Klinik wieder beginnen. Er wandte sich um und ging langsam zu seinem Wagen, um nach Hause zu fahren – nach Cameron Downs.
19
N ora war der Gedanke an die Wochen, die sie noch im Krankenhaus in Sydney würde verbringen müssen, zunächst unerträglich gewesen. Physisch ging es zwar langsam weiter bergauf, aber ihr Gefühlsleben war ein einziges Chaos. Sie litt noch unter der abrupten Trennung von Tom, der in ihrem Herzen so viel Raum einnahm und für den in ihrem Leben doch kein Platz war. Diese Empfindungen vor Max zu verbergen, kostete sie viel Kraft und deprimierte sie zusätzlich. Sie hatte sich aber dazu entschlossen, dieses Kapitel ihres Schicksals für sich zu behalten und ihren Mann nicht auch noch in ein Chaos zu stürzen und ihn zu verletzen. Sie war davon überzeugt, dass er diesen Weg ihres Herzens nie verstanden hätte.
In ihrem Inneren aber hatte sie zu keinem Zeitpunkt das Gefühl gehabt, sich für irgendetwas schämen zu müssen. Nie hatte sie vorgehabt, Max nicht treu zu sein, aber Tom und sie hatten sich auf so einzigartige, fast schon magische Weise zueinander hingezogen gefühlt, dass es weit über einen plumpen Fehltritt hinausging. Nora sah zwischen sich und Tom eine Art Seelenverwandtschaft, und dafür mochte sie sich nicht schuldig fühlen, zumal sie alles dafür getan hatte, dass das Glück ihrer Familie unangetastet blieb.
Max war ihre depressive Stimmung zwar aufgefallen, aber er war gemeinsam mit ihrem behandelnden Arzt der Auffassung, dass sie den Unfall und seine Folgen erst jetzt psychisch verarbeitete und darüber hinaus die Kinder vermisste. Er tat alles, um sie aufzuheitern und abzulenken. Er telefonierte zwar täglich mit seinem Verlag, hatte sich aber freigenommen, um bei ihr bleiben zu können. Resigniert hatte Nora für sich festgestellt, dass dies nun so plötzlich möglich war. Monate ihres Lebens glaubte sie mit dem Versuch zugebracht zu haben, ihm klar zu machen, dass sie mehr Zeit füreinander brauchten, dass sie sich voneinander entfernten, aber nie hatte er beruflich kürzer treten wollen. Bitter dachte sie, dass ihr Tod vielleicht noch eine eindrucksvollere Lehre für ihn gewesen wäre als diese ihrer Meinung nach langweiligen Wochen am Krankenbett.
Nach einer guten Woche hatte sie sich jedoch an die neue Umgebung gewöhnt und gab sich auch innerlich einen Ruck. Schließlich war sie sich sicher gewesen, dass die Entscheidung für ihre Familie und ihr Zuhause die richtige war, also musste sie damit beginnen, auch dafür zu leben.
Zum ersten Mal seit ihrer Reise nach Australien dachte sie nun wieder an das Buch von Marlo Morgan, das sie beeindruckt hatte und in dessen Geschichte ein junges Aborigine-Mädchen zu seinen Wurzeln zurückkehrt und sich intensiv mit den Lehren seines Volkes auseinander setzt. Dort hieß es, dass man für seine Energie und für die Disziplinierung seiner Gefühle verantwortlich sei. Jeder erlebe, wie es sich anfühlt, wenn man sich in einem negativen Zustand befindet, aber darin zu verweilen und nicht daraus zu lernen, sei unverantwortlich, unreif und nicht weise. Es gebe eine lebendige und eine nicht lebendige Zeit. Allein die Tatsache, dass jemand atme, bedeute noch nicht, dass er lebendig sei. Niedergeschlagenheit bedeute, seine Zeit nicht lebendig zu verbringen. Es sei absolut notwendig, dass man reife, damit man eine lange gesunde Zeit erlebe. Letztlich seien wir alle verantwortlich für unsere Zeit als Menschen und dafür, wie wir die Gabe des freien Willens nutzen.
Nora fühlte das Positive, das in diesen Worten steckte, und nahm sich vor, ihre Zeit lebendig zu verbringen. Sie holte tief Luft und gestattete sich noch einen letzten leisen Seufzer. Niklas und Marie fehlten ihr so. Wenn sie nur erst wieder bei ihnen sein könnte. Die kurzen Telefonate hatten ihre Sehnsucht nach ihnen nur verstärkt und die Hoffnung gefördert, zu Hause würde alles besser werden.
Max ließ sich in seinem Hotelzimmer auf einen Sessel fallen und schloss die Augen. Er war müde und fühlte sich allein. Er
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