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Nord gegen Süd

Nord gegen Süd

Titel: Nord gegen Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hintreiben und dann bis zur Höhe von zwanzig Fuß ihre cylindrischen Schäfte erhoben. Es sind das wirkliche Schirmstiele mit verdicktem Handgriffe, deren großer Stab einen ungeheuren grünen Sonnenschirm trägt, der freilich weder gegen Regen noch gegen Sonnenschein schützt.
    Unter das endlose Dach dieser Bäume drangen James Burbank und seine Begleiter bald nach Tagesanbruch ein. Das Wetter war herrlich und jedenfalls kein Gewitter zu fürchten, das den Erdboden in einen ungangbaren Sumpf verwandelt hätte. Immerhin mußte man stets den Weg besonders auswählen, um die niemals trocknenden Lachen zu vermeiden; glücklicherweise sollten längs des Saint-John, dessen rechtes Ufer ein wenig höher liegt, die Schwierigkeiten minder groß sein. Abgesehen von dem Bette der Bäche, die sich in den Fluß ergießen und die man entweder eine weite Strecke umgehen oder an geeigneter Stelle durchwaten mußte, gab es nicht viel Ursache zur Verzögerung.
    An eben diesem Tage wurde übrigens keine Spur gefunden, welche die Anwesenheit einer Abtheilung Südstaatler oder einer Seminolenbande angedeutet hätte, ebenso wenig eine Fährte von Texar und seinen Genossen. Es war ja möglich, daß der Spanier einen Weg auf dem linken Flußufer eingeschlagen hatte. Doch das machte im Grunde genommen nichts aus. Längs des einen oder des anderen Ufers gelangte man ja geraden Weges nach dem unteren Florida, auf welches Zermah’s Billet hinwies.
    Als der Abend herankam, machte James Burbank für sechs Stunden Halt, während des übrigen Theiles der Nacht wurde der Marsch aber ohne Unterbrechung fortgesetzt, und schweigend zogen Alle durch den eingeschlafenen Cypressenwald. Kein Windhauch regte sich in dem düsteren Blättergewölbe. Der jetzt als Sichel am Himmel stehende Mond zeichnete scharf das seine Zweignetz auf den Erdboden, das in Folge der Höhe der Bäume hier vergrößert erschien. Vom Flusse, der über sein ganz schwach abfallendes Bett hinglitt, hörte man kaum ein leises Murmeln. Zahlreiche Untiefen, jetzt kleine Sandbänke, traten aus demselben hervor, und es wäre ganz leicht gewesen, ihn, wenn das nöthig wurde, zu überschreiten.
    Am folgenden Morgen nahm die kleine Gesellschaft nach zweistündiger Rast in der einmal gewohnten Ordnung den Weg nach Süden wieder auf. Im Laufe des Tages riß nun freilich der leitende Faden wiederholt entzwei oder vielmehr er näherte sich dem Ende des Knäuels. In der That verschwand der Saint-John, jetzt nur noch ein schwacher Wasserfaden, bald unter einer Gruppe Chinabäume, welche sich von dessen Quelle nährten. Weiter hinaus verdeckte der Cypressenwald den Horizont auf Dreiviertel seines Umfanges.
    An dieser Stelle fand sich auch ein nach Art der Eingeborenen hergerichteter Friedhof für Schwarze, die zum Christenthum übergetreten und ihrem katholischen Glauben auch bis zum Tode treu geblieben waren. Hier und da bezeichneten bescheidene Kreuze, einmal aus Holz und dann wieder aus Stein, welche an kleinen Erdhügeln standen, die Gräber zwischen den Bäumen. Zwei oder drei in der Luft befindliche Grabstätten, welche von im Sumpfe befestigten Pfählen getragen wurden, schaukelten im Winde je einen zum Skelett vermoderten Cadaver.
    »Das Vorhandensein eines Friedhofes an dieser Stelle, bemerkte Edward Carrol, könnte wohl auf die Nähe eines Dorfes oder Weilers hindeuten.
    – Der heute wohl nicht mehr existiren wird, setzte Gilbert hinzu, denn auf unseren Karten findet sich nicht die Spur eines solchen. Das Verschwinden von Dörfern im unteren Florida ist ja eine gar häufige Erscheinung, ob diese nun von den Bewohnern einfach verlassen oder von Indianern zerstört worden waren.
    – Nun sage, Gilbert, fragte James Burbank, wie werden wir jetzt, wo der Saint-John uns zu leiten fehlt, weiter vorwärts kommen?
    – O, der Compaß wird uns schon die einzuhaltende Richtung angeben, lieber Vater, antwortete der junge Officier. Wie groß und dicht der Wald auch sein mag, so ist es damit doch unmöglich, sich darin zu verlieren.
    – Also vorwärts, Herr Gilbert, drängte Mars, der sich während der Stunden der Nacht kaum auf der Stelle zu halten vermochte. Vorwärts, und Gott möge uns leiten!«
    Eine halbe Stunde jenseits des Negerfriedhofes gelangte die kleine Gesellschaft unter das grüne Dach und mit Hilfe des Compasses wanderte sie ziemlich genau nach Süden hinab.
    Während der ersten Hälfte dieses Tages ereignete sich nichts Erwähnenswerthes. Bisher hatte kein Zwischenfall diesen

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