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Nord gegen Süd

Nord gegen Süd

Titel: Nord gegen Süd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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wenn man nicht eine Verzögerung von mindestens achtundvierzig Stunden erleiden wollte, um die stromabwärts gelegenen Städte, Flecken, Forts und Dörfer zu erreichen. Der »Shannon« berührt nämlich nicht jeden Tag die beiden Ufer des Saint-John, und jener Zeit versah dieser Dampfer den Dienst auf dem Flusse noch allein. Man muß also in Picolata bei der Hand sein, wenn er daselbst anlegt, und so hatten die Wagen denn auch ihr Contingent an Passagieren schon vor einer Stunde hier abgesetzt.
    Eben jetzt befanden sich wohl gegen fünfzig an der Landungsbrücke von Picolata. Sie warteten, nicht ohne eine gewisse Erregtheit unter einander schwatzend. Man hätte leicht beobachten können, daß sie zwei besondere Gruppen bildeten, welche wenig Neigung verriethen, sich einander zu nähern. Ob es nun eine besonders ernste Angelegenheit, etwa eine politisch wichtige Sache gewesen war, die sie alle nach Saint-Augustine getrieben gehabt hatte – jedenfalls lag es auf der Hand, daß es zu einer Einigung zwischen ihnen nicht gekommen war. Als Feinde dort eingetroffen, kehrten sie auch als solche zurück. Das sah man nur deutlich an den gereizten Blicken, die sie untereinander austauschten, an der Absonderung, welche beide Gruppen beobachteten, und hörte man aus verschiedenen übellaunigen Worten, deren aufreizender Sinn Niemandem zu entgehen schien.
    Jetzt gellte von stromaufwärts her langgedehntes Pfeifen durch die Luft. Der »Shannon« erschien hinter einer hervorspringenden Ecke des rechten Ufers, eine halbe Meile oberhalb Picolata. Dicke Rauchwolken drangen wirbelnd aus seinen beiden Schornsteinen und lagerten sich um die Kronen der großen Bäume, welche der Seewind am entgegengesetzten Ufer abschüttelte. Die sich bewegende Masse nahm rasch an Größe zu. Die Fluth war im Abnehmen. Die durch dieselbe früher verursachte Gegenströmung hatte die Bewegung des Schiffes drei bis vier Stunden vorher verlangsamt, jetzt aber begünstigte sie diese, da die Wassermassen des Saint-John wieder nach seiner Mündung hin zurückwichen
    Endlich ließ sich die Glocke vernehmen. Die Schaufelräder arbeiteten rückwärts gegen das Wasser und brachten den »Shannon« zum Stillstand, so daß dieser, dem Zug der Sorrtaue nachgebend, sich dicht an die Landungsbrücke legte
    Die Einschiffung vollzog sich mit einer gewissen Hast; eine der beiden Gruppen ging zuerst an Bord, ohne daß ihr die andere dabei den Rang abzulaufen versuchte. Das rührte offenbar davon her, daß die letztere einen oder mehrere noch rückständige Passagiere erwartete, welche Gefahr liefen, das Boot zu versäumen, denn zwei oder drei Männer traten daraus hervor und eilten am Quai von Picolata bis nach der Stelle, wo die Straße nach Saint-Augustine mündet. Von dort blickten sie augenscheinlich ungeduldig in der Richtung nach Osten hinaus.
    Das hatte auch seinen guten Grund, denn der auf der Commandobrücke des »Shannon« stehende Capitän rief schon dringend:
    »Einsteigen! Einsteigen!
    – Nur noch wenige Minuten, erwiderte Einer aus der zweiten Gruppe, der auf der Landungsbrücke zurückgeblieben war.
    – Ich kann nicht warten, meine Herren.
    – Nur ein paar Minuten!
    – Nein, nicht eine einzige!
    – Nur einen Augenblick!
    – Unmöglich! Die Flut nimmt ab und ich würde Gefahr laufen, über der Barre von Jacksonville nicht genug Fahrwasser zu finden!
    – Uebrigens, ließ sich einer der Reisenden vernehmen, haben wir nicht die geringste Ursache, uns den Launen von Nachzüglern zu fügen!«
     

    »Da kommt Texar!… Da kommt Texar!« (S. 10.)
     
    Der Mann, der diese Bemerkung gemacht hatte, gehörte zu der ersten Gruppe, welche auf dem hinteren Oberdeck des »Shannon« Platz genommen hatte.
    »Ganz meine Ansicht, Herr Burbank, antwortete der Capitän. Der Dienst vor Allem!… Vorwärts, meine Herren, oder ich gebe Befehl, die Sorrtaue einzuziehen!«
    Schon machten sich einige Männer vom Dampfer bereit, diesen mittelst ihrer dicken Stangen von der Landungsbrücke nach dem Fahrwasser hinauszuschieben und wiederholt ließ die Dampfpfeife ihren schrillen Ton vernehmen. Da unterbrach ein Ausruf die Vorbereitungen zur Abfahrt.
    »Da kommt Texar!… Da kommt Texar!«
    Ein in größter Eile dahersausender Wagen erschien eben an der Ecke des Quais von Picolata.
    Die vier Maulthiere, welche denselben zogen, hielten dicht vor der Landungsbrücke still. Ein Mann entstieg dem Wagen. Seine Genossen, die ihm entgegen gegangen waren, kamen eilends wieder herzu, dann

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