Norddeutschland, Morddeutschland - 3 Krimis von der Küste (German Edition)
Benecke zu bestätigen. „Wohin geht’s denn diesmal?“
„Zum Opferstein von Quoltitz auf der Halbinsel Jasmund“, erklärte Jensen. „Ein paar Kollegen sind bereits dort und sichern den Tatort ab – pardon: den Fundort der Leiche.“ 4. Kapitel
Mehr als eine Stunde war vergangen, bis sie den Opferstein von Quoltitz erreicht hatten. Sie mussten von Stralsund über die neue Rügenbrücke Richtung Sagard fahren und bogen vor der Jasmundtherme auf einen kleinen, gut geteerten Seitenweg ein, der sie bis zum Wasserwerk führte.
Ab da ging es nur noch zu Fuß durch ein abgeschiedenes, kleines Waldstück bergan. Die Männer beeilten sich, ihr Ziel schnellstmöglich zu erreichen, und hielten sich nicht mit Reden auf. Neben ihnen plätscherte ein Bach, und George empfand die kühle Stille als sehr angenehm. Interessiert warf er einen Blick auf ein inmitten des Waldes liegendes Moor.
Als sie auf eine Lichtung zustrebten, hörten sie die Stimmen der Polizisten, die das Gelände weiträumig abgesperrt hatten.
Zwei uniformierte, junge Männer standen beiderseits eines Durchschlupfes zu einem dichten Gebüsch. Sie begrüßten Kriminalkommissar Jensen und gaben ihnen Zeichen, durch eine kleine Öffnung inmitten der dichten Büsche den Hain zu betreten.
Vor ihnen lag der Opferstein von Quoltitz! Durch Kerben und Vertiefungen, die vor langer Zeit von Menschenhand eingeschliffen worden waren, sah er aus wie ein riesiges, geducktes Tier. Der Tote war auf dem Findling grotesk drapiert worden.
Er lag auf dem Bauch und genau wie im Fall Schneider, dem ersten Opfer, fehlte auch ihm der Kopf. Eine tiefe Rinne im Stein führte unter den Körper, von der Benecke sofort vermutete, dass in früheren Zeiten hier das Blut von Opfertieren abgeleitet wurde. Er tauschte mit George einen wissenden Blick. Auch hier empfing sie wieder ein bedrohlich wirkendes Surren und Summen von Fliegen und Insekten, die sich des Leichnams bereits bemächtigt hatten.
Es war ein schrecklicher Anblick!
Der Opferstein von Quoltitz, ein über siebzig Tonnen schwerer Granitfindling
George, der von ihnen am wenigsten Abgebrühte und Empfindsamste, musste heftig schlucken und sich bemühen, seinen Magen unter Kontrolle zu behalten.
Der hellblaue Jogging-Anzug, den der Tote trug, war blutverschmiert, aber dieses Blut stammte offenkundig nicht von Verwundungen am Körper, sondern war wohl eher bei der Enthauptung auf die Kleidung gelangt und dort getrocknet.
Benecke und auch George machten zunächst einmal aus größerem Abstand ausgiebig Fotos und achteten sorgfältig darauf, dem Stein nicht zu nahe zu kommen und eventuell Spuren zu verwischen. Im Hintergrund hörten sie Hauptkommissar Jensen die beiden Polizisten befragen. Die Spurenermittler und der Gerichtsmediziner würden in wenigen Minuten eintreffen.
Beneckes größtes Interesse galt natürlich dem Halsstumpf.
Dieses Mal brauchte man nach der besonderen Hinterlassenschaft des Täters gar nicht lange zu suchen, denn sie fiel sofort ins Auge. Ein riesenhafter Käfer mit einer schwarz-weißen Musterung auf dem Rückenpanzer steckte im Halsstumpf des Toten. „Sieh an“, sagte Benecke triumphierend, der inzwischen längst seine Latex-Handschuhe trug. „Ein Goliathkäfer!“
George und Kommissar Jensen verfolgten aufmerksam, wie Benecke zunächst mit seiner Digitalkamera einige Nahaufnahmen des Halsstumpfs und des Käfers machte.
Anschließend löste er das Tier vorsichtig aus dem Hals heraus und tütete es ein. „So sollte Beweis-sicherung immer erfolgen“, meinte Jensen – nicht ohne eine Spur von Ironie.
„Ich hoffe doch sehr, dass das immer so gehandhabt wird“, gab Benecke im Brustton der Überzeugung zurück.
„Wenn wir dazu die Zeit hätten …“, begann Jensen und seufzte. Er wandte sich an George: „Über das, was hier geredet wird, schreiben Sie keine Zeile, klar?“
„Natürlich nicht“, versicherte George. „Es sei denn, Sie geben Ihr Einverständnis!“
„Was Sie wohl sagen wollten, war, dass das Verspuren des Tatorts sehr viel schneller vonstatten ginge, wenn es sich bei dem Toten zum Beispiel um einen nach Alkohol riechenden Obdachlosen in einem Bahnhof handeln würde“, meinte Benecke an den Kommissar gewandt.
„Jeder würde dann sofort denken: Da ist alles klar!“, gab Jensen zu.
Benecke drehte sich kurz um und nickte. „Eben!“, sagte er.
„Genau das ist doch das Problem!“
Jensen wurde etwas ärgerlich. „Sie können ja meinetwegen einen Mordfall auf
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