Norddeutschland, Morddeutschland - 3 Krimis von der Küste (German Edition)
Tag“, meinte Lydia und seufzte. „Wahrscheinlich einer, an dem ich mir alleine die ehemalige Residenzstadt Putbus oder den Burgwall der Jaromarsburg in Arkona ansehen kann. Denn ich nehme an, dass ihr zwei dann wieder auf Mörderjagd geht!“ Ihrem Gesicht sah man an, was sie davon hielt.
„Na ja, solange der Kerl noch nicht gefasst ist, der das getan hat, bin ich schon etwas unruhig und kann mich sowieso nicht auf touristische Highlights konzentrieren“, gab Benecke zu.
„Kerl?“, fragte George plötzlich. „Dann ist für Sie also Gerlinde Grasmück, die Hauptverdächtige der Polizei, schon ausgeschieden? Frauen können auch mit einer Axt Köpfe abschlagen – und mit diesem Temperament und dieser Wut, die die Dame bisher demonstriert hat …“
„Mmmh …“, murmelte Benecke.
„Und wenn man dann noch bedenkt, dass man eine Axt bei ihren Sachen gefunden hat …“, fuhr der Reporter unbeirrt fort.
„Frauen sind zwar deutlich seltener Täter bei Mordfällen als Männer, doch während der letzten Jahrhunderte haben sich die Methoden, die sie benutzen, weg vom klassischen Giftmord und hin zu gewalttätigeren Techniken entwickelt.
Das Klischee, Frauen würden hauptsächlich ,sanfte Mordmethoden‘ benutzen, stimmt heutzutage jedenfalls nicht mehr. Mark und ich haben dieses Jahr einen interessanten Vortrag mit aktuellen Zahlen dazu auf der Jahrestagung der American Academy of Forensic Sciences in Seattle gehört“, warf Lydia ein, die sich bei der Arbeit mit ihrem Mann auch mit psychologischen Untersuchungen von Kriminalfällen beschäftigte.
„Ich bin jetzt auch nur von einem männlichen Tatverdächtigen ausgegangen, weil der von den Zeugen beschriebene Mann mit dem Ziegenbart wohl definitiv nicht Gerlinde Grasmück war! So ungenau waren die Zeugenaussagen dann nun auch wieder nicht“, erwiderte Benecke.
„Und wer sagt, dass der Ziegenbart-Typ überhaupt etwas mit der Sache zu tun hatte?“, fragte nun wieder Lydia. „Nur wegen des Handwagens?“
„Wir drehen uns nur noch im Kreis“, stellte George deprimiert fest.
„Weil uns irgendein entscheidender Anhaltspunkt noch fehlt!“, nickte Benecke, der quasi nur nebenbei registrierte, dass sie den Gasthof „Zur Linde“ erreicht hatten. Weil es so ein schöner Abend war, setzten sie sich nach draußen, nachdem sie zuerst drinnen die rustikalen Räumlichkeiten besichtigt hatten. Benecke aß nicht viel, aber George und Lydia langten kräftig zu. Der Kriminalbiologe hatte sein MacBook dabei, obwohl seine Frau eigentlich gehofft hatte, er würde ihn im Wagen lassen.
„Nur kurz die Mails checken“, meinte er fast schon entschuldigend zu seiner Frau. „Kann ja sein, dass noch jemand sich auf meine Aktion hin gemeldet hat.“ Das war tatsächlich der Fall. Acht zum Teil recht umfangreiche Mails waren in Beneckes Posteingang verzeichnet. Und dazu kam noch eine Nachfrage von Herrn Störens, ob denn inzwischen Fortschritte in der Sache erzielt wurden und was von der Verhaftung einer gewissen Gerlinde Grasmück zu halten sei, von der man im Rundfunk hörte.
Die anderen Mails überflog Benecke nur.
„Habe ich übrigens schon erzählt, dass ich gestern beinahe abgestürzt wäre?“, fragte Lydia.
„Abgestürzt?“, fragte George reflexartig.
Lydia fuhr ungerührt fort: „Ja, ich bin doch gestern den Hochuferweg von Sassnitz zum Nationalpark-Zentrum Königsstuhl gewandert, und dabei bin ich doch auch an den Wissower Klinken vorbeigekommen! Später habe ich gehört, dass wieder ein Stück Felsen von der Steilküste abgerutscht ist und man noch nicht weiß, ob es da vielleicht sogar Vermisste gibt. Es waren nämlich Touristen in der Nähe …“ Sie sah zu Mark Benecke hinüber, der noch immer in seine Mails vertieft war und verdrehte die Augen. „Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich wenigstens dann seine Aufmerksamkeit erregen könnte, wenn er hört, dass seine Frau nur durch Zufall einer Lebensgefahr entronnen ist. Aber das scheint wohl ein Irrtum gewesen zu sein!“
George zwinkerte Lydia zu und sagte dann in gespieltem Ernst: „Herr Benecke, jetzt zeigen Sie mal ein bisschen mehr Betroffenheit!“
„Ich bin ja total betroffen“, erwiderte Benecke ruhig, „und zwar in allererster Linie von dem, was ich hier gerade lese.
Hat mit unserem Fall zu tun!“
„Dann mal raus mit der Sprache!“, sagte George wissbegierig.
„Sonst verärgern Sie nicht nur Ihre Frau, sondern auch noch mich!“
Benecke blickte auf und meinte dann
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