Norddeutschland, Morddeutschland - 3 Krimis von der Küste (German Edition)
versöhnlich:
„Entschuldige Lydia! Ich habe einfach noch etwas herumgegoogelt. Vor zehn Jahren gab es schon einmal einen Fall, bei dem ein Käfer im Halsstumpf eines Geköpften platziert wurde! Ich habe sogar die Sorte feststellen können –
kommt nur in Nordamerika vor.“
„Dann haben wir ja käfermäßig bald alle Erdteile vollzählig!“, meinte George sofort.
„Wenn es derselbe Täter ist, ja!“, stimmte Benecke zu.
„Wieso ist die Polizei darauf nicht gekommen?“, fragte Lydia.
„Aus demselben Grund, weshalb auch ich erst nicht drauf gekommen bin: Man hat nicht nachgesehen! Diese ältere Sache hat sich im niedersächsischen Osnabrück zugetragen.
Manchmal ist es eben wirklich wie in der Geschichte vom entwendeten Brief von Edgar Allen Poe, in der der Brief die ganze Zeit vor allen liegt und niemand ihn sieht …“
„Das muss Hauptkommissar Jensen wissen“, stellte George klar.
„Aber heute wird daraus nichts mehr“, fuhr Lydia dazwischen.
„Und eins sag ich euch, wenn dieser Tote, den du da aus dem Netz gefischt hast, schon zehn Jahre geruht hat, dann werden wir hier wohl noch unser Essen einigermaßen gemütlich beenden können, oder?“
***
Es war mitten in der Nacht, als der VW-Kastenwagen die Straßengabelung im großen Waldgebiet der Stubnitz erreichte.
Der Fahrer entschied sich für die Straße Richtung Stubbenkammer, worunter die nur mit wenigen Häusern besiedelte Umgebung in unmittelbarer Nähe des markanten Kreidefelsens Königsstuhl zu verstehen war. In der Nähe befanden sich der kleine Herthasee und die slawische Herthaburg aus dem 10. Jahrhundert sowie zwei besondere Steine, die immer wieder Kristallisationspunkte von Sagen, Märchen und der verschütteten Erinnerung an düstere Rituale gewesen waren: der Opferstein und der Sagenstein.
Genau die richtigen Orte für das, was ich vorhabe, dachte der Fahrer.
Er parkte an einer nicht einsehbaren Stelle am Straßenrand.
Selbst wenn hier um diese Zeit jemand vorbeikäme, würde niemand die auffällige Bemalung des VW-Kastenwagens mit den bunten Käfern bemerken oder sich daran später erinnern können.
Und wenn doch?
Dann soll es so ein, dachte er. Aber es war ohnehin wichtiger, alles zu einem Ende zu bringen, was er vor langer Zeit begonnen hatte. Ihn beschlich das Gefühl, dass ihm dafür nicht mehr genug Zeit blieb.
Benecke! Warum ausgerechnet dieser Benecke?
Diese Wald- und Wiesenpolizisten aus der Gegend, so glaubte er, hätte er noch länger an der Nase herumführen können.
Aber Benecke? Er kannte beinahe jeden Satz aus den TV-Dokumentationen, in denen sich der Forensiker zu irgendeinem kriminalistischen Problem geäußert hatte. Nun ja, vielleicht half es ihm, dass er seinen Gegner gut einschätzen konnte. Er schüttelte den Kopf, hing seinen Gedanken nach und starrte dabei auf die Nachtfalter, die im Mondlicht tanzten.
War es nicht in Wahrheit so, dass Benecke es ihm leichter machte, zu erreichen, was er erreichen wollte? Zu zeigen, was alle sehen sollten? Die Medien werden sich darauf stürzen, ging es ihm durch den Kopf. Und das sollten sie auch.
Erst recht, wenn Benecke sich um die Sache kümmerte.
Ja, dachte er, alles wird ans Licht kommen. Endlich! So lange waren die Gesichter, die Köpfe in seinen Gedanken gefangen gewesen. Aber das hatte nun bald ein Ende. Ein hämisches Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Er stieg aus, öffnete ein halbes Dutzend Schnallen an dem Verdeck des Kastenwagens, ließ die Klappe herunter, was einen knarrenden Laut ergab, weil er vergessen hatte, die Scharniere zu ölen. Aber was spielte das hier draußen schon für eine Rolle?
Er holte den Handwagen heraus. Und dann das Bündel. Es war ziemlich schwer. Ich werde zweimal gehen müssen, überlegte er, als er das Bündel auf den Wagen geladen hatte. Mehr passte einfach nicht drauf. Beim Herunterlassen des Verdecks fiel für einen Moment das Mondlicht auf die Ladefläche und auf den darauf liegenden Gegenstand - einen abgetrennten Kopf. Das Licht spiegelte sich in starren, fischig wirkenden Augen, bevor gnädigerweise die Verdeckplane den grausigen Anblick versperrte.
6. Kapitel
„Bist du etwa noch wach?“, fragte Lydia schlaftrunken.
Ein matter, blauer Schimmer war in dem ansonsten dunklen Zimmer zu erkennen und der wurde durch Beneckes MacBook verbreitet.
„Ich habe noch etwas gegoogelt“, sagte Benecke entschuldigend.
„Ja das sehe ich, aber sag mal: Machst du jetzt nicht einmal mehr im
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