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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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aus ihrem Leben herausschrubben. Sie wollte nicht damit leben. Und wie gesagt, angesehen hat man ihr nicht viel. Sie hatte eine gesprungene Lippe, weil er ihr den Mund zugehalten hatte, und eine kleine Blutung am Auge.«
    »Hat sie sich je davon erholt?«
    »Nie. Sie war eine sehr sensible Frau, meine Schwester. Sie war so zart und arglos, und deswegen ein leichtes Opfer für jemanden, der ihr Böses wollte. Für jemanden wie Holberg. Wie Rúnar. Sie haben es beide gespürt. Jeder hat auf seine Weise angegriffen. Sich über das Opfer hergemacht.«
    Sie blickte zu Boden.
    »Diese Schweine«, sagte sie.
    Erlendur ließ einen Augenblick verstreichen, bevor er fortfuhr.
    »Wie war ihre Reaktion, als sie feststellte, dass sie schwanger war?«
    »Da hat sie meiner Meinung nach sehr vernünftig reagiert. Sie war gleich von Anfang an entschlossen, sich trotz der Umstände über das Kind zu freuen, und auf ihre Liebe zu Auður ist nie ein Schatten gefallen. Sie war mehr als eine vorbildliche Mutter. Für das Kind tat sie alles, was in ihrer Macht stand. Das arme, kleine Ding.«
    »Wusste Holberg denn, dass er ein Kind hatte?«
    »Er wusste es natürlich, aber er stritt es ab. Verleugnete es. Erklärte, dass das Kind nicht von ihm sei. Beschuldigte meine Schwester eines lockeren Lebenswandels.«
    »Sie hatten also keine Verbindung miteinander, wegen der Tochter, oder …?«
    »Verbindung! Niemals. Wie kommst du auf so eine Idee? Das wäre nie in Frage gekommen.«
    »Kolbrún könnte ihm nicht dieses Bild geschickt haben?«
    »Nein. Nein, das kann ich mir nicht denken. Das ist ausgeschlossen.«
    »Dann muss er es selbst aufgenommen haben. Oder jemand, der von der Sache wusste, hat das Foto geknipst und es ihm geschickt. Vielleicht hat er in der Zeitung die Todesanzeige gesehen. Gab es Nachrufe auf Auður?«
    »Die Todesanzeige stand in der Zeitung, und ich habe d amals einen kurzen Nachruf für Morgunblaðið geschrieben. Das könnte jemand gelesen haben.«
    »Ist Auð ur hier in Keflavík begraben?«
    »Nein. Wir stammen aus Sandgerði, und in der Nähe von Sandgerði ist ein kleiner Friedhof. Kolbrún wollte, dass sie dort beerdigt würde. Es war mitten im Winter. Es war schwierig, das Grab auszuheben.«
    »Auf dem Totenschein steht, dass sie einen Hirntumor gehabt hat.«
    »Das war die Erklärung, die meine Schwester bekam. Sie ist einfach gestorben, uns unter den Händen weggestorben, das arme Würmchen, und wir konnten nichts ausrichten. Keine vier Jahre alt.«
    Elín schaute von dem Foto hoch und blickte Erlendur an.
    »Einfach gestorben.«
    Im Haus war es ganz dunkel geworden, und die beiden Worte raunten voller Fragen und Trauer durch die Dunkelheit. Elín erhob sich langsam, knipste eine schwach leuchtende Stehlampe an und ging dann durch den Flur in die Küche. Erlendur hörte, wie sie den Wasserhahn aufdrehte, Wasser in ein Gefäß laufen ließ und dann eingoss, eine Dose aufmachte, er roch Kaffeeduft. Er stand auf und betrachtete die Bilder an der Wand. Es waren Zeichnungen und Gemälde. Ein mit Wasserfarben gemaltes Bild von einem Kind steckte in einem schmalen schwarzen Rahmen. Endlich fand er, wonach er suchte. Es gab zwei Aufnahmen, zwischen denen wahrscheinlich zwei Jahre lagen. Fotos von Auður.
    Das ältere Bild war beim Fotografen aufgenommen. Schwarzweiß. Das Mädchen war vielleicht gerade ein Jahr alt und saß auf einem großen Kissen, hübsch herausgeputzt in einem Kleidchen. Es hatte eine Schleife im Haar und eine kleine Rassel in der einen Hand. Das andere Bild zeigte sie im Alter von etwa drei Jahren. Erlendur nahm an, dass es von ihrer Mutter aufgenommen worden war. Es war ein Farbfoto. Die Kleine stand in einem niedrigen Birkengebüsch mitten in strahlendem Sonnenschein. Sie trug einen dicken, roten Pullover und ein Röckchen, weiße Söckchen und schwarze Schuhe mit hübschen Schnallen. Sie schaute beinahe grüblerisch in die Kamera. Mit ernster Miene. Vielleicht hatte sie sich geweigert zu lächeln.
    »Kolbrún hats ich nie davon erholt«, sagte Elín, die wieder zur Wohnzimmertür hereingekommen war. Erlendur richtete sich auf.
    »Es gibt wahrscheinlich nichts Schlimmeres als das«, sagte er und nah m eine Kaffeetasse entgegen. Elín setzte sich mit ihrer Tasse wieder auf das Sofa, und Erlendur nahm erneut ihr gegenüber Platz und trank einen Schluck.
    »Falls du rauchen möchtest, bitte sehr«, sagte sie.
    »Eigentlich will ich aufhören«, sagte Erlendur und versuchte, das nicht wie eine

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