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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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ganze Zeit brauchte, um sich darüber klar zu werden, dass es sich um denselben Mann handelte. Geschichten über Rúnar waren lange bei der Polizei in Umlauf gewesen. Irgendwo hatte Erlendur gelesen, dass die Vergangenheit ein anderes Land sei, und das leuchtete ihm ein. Ihm war klar, dass sich die Zeiten änderten und die Menschen auch. Aber er war nicht bereit, die Vergangenheit auszustreichen.
    Sie standen einander im Garten gegenüber.
    »Was war mit Kolbrún?«, fragte Erlendur.
    »Verschwinde!«
    »Erst sagst du mir, was mit Kolbrún war.«
    »Sie war eine verdammte Hure!«, stieß der Mann auf einmal zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »So, und jetzt reicht’s, zieh endlich Leine! Alles, was sie über mich gesagt hat, war erlogen, verdammt noch mal. Das war verdammt noch mal keine Vergewaltigung. Sie hat die ganze Zeit gelogen!«
    Erlendur sah Kolbrún, wie sie vor diesem Mann stand, vor vielen, vielen Jahren, als sie die Anzeige erstattete. Er stellte sich vor, wie sie ihren ganzen Mut zusammengerafft hatte, bis sie es nicht länger aushielt und zur Polizei ging, um zu erzählen, was ihr passiert war, das Grauen zu beschreiben, das sie durchgemacht hatte und am liebsten vergessen wollte, als ob das Ganze nur ein Albtraum gewesen wäre, aus dem sie unbeschadet erwachen würde. Sie würde aber nie mehr heil und unbeschadet erwachen. Ihr war Gewalt angetan worden. Er war über sie hergefallen und in sie eingedrungen …
    »Sie kam drei Tage nach dem Vorfall und zeigte den Mann wegen Vergewaltigung an«, sagte der alte Mann zu Erlendur. »Das war nicht sehr glaubwürdig.«
    »Und du hast sie vor die Tür gesetzt«, sagte Erlendur.
    »Sie hat gelogen.«
    »Und hast sie ausgelacht und erniedrigt und ihr geraten, sie sollte das Ganze vergessen. Aber sie hat es nicht vergessen, oder?«
    Der alte Mann blickte Erlendur hasserfüllt an.
    »Sie ging bis nach Reykjavík, nicht wahr?«, sagte Erlendur.
    »Holberg wurde nie verurteilt.«
    »Und wem war das deiner Meinung nach zu verdanken?«
    Erlendur sah Kolbrún vor sich, wie sie mit Rúnar aneinander geriet. Mit ihm aneinander geraten! Mit diesem Mann! Sich mit ihm anzulegen wegen dem, was sie durchgemacht hatte. Zu versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass sie die Wahrheit sagte, als sei er der oberste Richter in ihrer Angelegenheit.
    Sie musste ihre ganze Kraft aufbieten, als sie ihm von den Vorfällen der Nacht berichtete, und sie versuchte, alles der Reihe nach zu erzählen, aber es war einfach zu entsetzlich. Sie konnte es nicht beschreiben. Konnte nicht davon erzählen, von dem, was so unbeschreiblich, Abscheu erregend, pervers war. Irgendwie schaffte sie es, ihre bruchstückhafte Darstellung zu Ende zu bringen. War das ein Grinsen? Sie konnte nicht begreifen, warum der Polizist grinste. Es schien ihr ein Grinsen zu sein, aber das konnte nicht sein. Dann begann er, sie nach Einzelheiten auszufragen.
    Sag mir genau, wie es vor sich gegangen ist.
    Sie schaute ihn an. Begann wieder zögernd mit ihrem Bericht.
    Nein, das habe ich schon gehört. Sag mir, was genau passiert ist.
    Du hast doch eine Unterhose angehabt. Wie hat er dir die Unterhose ausgezogen? Wie hat er den Schwanz in dich hineinbekommen?
    Konnte das sein Ernst sein?
Schließlich fragte sie, ob es bei der Polizei denn keine weiblichen Mitarbeiter gäbe.
    »Nein

Wenn du diesen Mann wegen Vergewaltigung anzeigen willst, musst du schon etwas mehr ins Detail gehen, verstehst du. Hast du vielleicht mit ihm geflirtet, sodass er Grund hatte zu glauben, du wärst zu allem bereit?«
    Sie erklärte so leise, dass es kaum zu hören war, dass sie das keinesfalls getan hätte.
    Du musst lauter sprechen. Wie hat er dir die Unterhose ausgezogen?
    Jetzt war sie sich sicher, dass es ein Grinsen war. Er fragte sie rüde, bezweifelte ihre Aussage, war brutal, einige Fragen waren eine reine Unverschämtheit, geradezu obszön; er versuchte, es so aussehen zu lassen, als habe sie der Sache Vorschub geleistet, als habe sie Geschlechtsverkehr mit diesem Mann haben wollen, dann aber einen Rückzieher gemacht, aber da war es zu spät, verstehst du, zu spät, um bei so etwas einen Rückzieher zu machen. Hat keinen Sinn, beim Tanzen mit Männern zu flirten und mittendrin einen Rückzieher zu machen.
    Zum Schluss weinte sie leise, als sie eine kleine Handtasche öffnete und eine Plastiktüte herauszog und ihm reichte. Er öffnete die Tüte und holte ihren zerrissenen Schlüpfer heraus.
    Rúnar ließ den Harkenstiel los

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