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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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dieses Bild?«, fragte Erlendur behutsam.
    »Ich habe es nie zuvor gesehen«, sagte sie.
    »Hat deine Schwester nach dem … Vorfall Verbindung zu Holberg gehabt?«
    »Nicht dass ich wüsste. Niemals. Das kannst du dir doch denken.«
    »Ist denn keine Blutuntersuchung gemacht worden, um festzustellen, ob er der Vater war?«
    »Wozu?«
    »Um die Aussage deiner Schwester zu stützen. Dass es Vergewaltigung war.«
    Sie schaute von dem Bild hoch, starrte ihn eine ganze Weile an und sagte dann: »Ihr seid doch alle gleich, ihr Polizisten. Bei euch gibt’s immer nur halbe Arbeit.«
    »Wieso?«
    »Hast du dich nicht mit dem Fall befasst?«
    »In groben Zügen. Dachte ich jedenfalls.«
    »Holberg hat nie bestritten, dass der Geschlechtsverkehr stattgefunden hat. Dazu war er zu schlau. Er bestritt einfach, dass es Vergewaltigung war. Er sagte aus, dass meine Schwester ihm zu Willen gewesen sei. Er sagte, dass sie ihn scharf gemacht und zu sich nach Hause eingeladen habe. Das war seine großartige Verteidigung. Dass Kolbrún aus freien Stücken Sex mit ihm hatte. Spielte den Unschuldigen, das Schwein.«
    »Aber …«
    »Meine Schwester hatte nur diese zerrissene Unterhose«, fuhr Elín fort. »Man sah ihr nichts an. Sie war nicht stark, konnte nicht viel Widerstand leisten, und sie sagte mir, sie wäre vor Angst wie gelähmt gewesen, als er anfing, sie in der Küche zu betatschen. Dann zerrte er sie ins Schlafzimmer, und dort hat er ihr Gewalt angetan. Zwei Mal. Hatte sie unter sich und begrapschte sie unter Obszönitäten, bis er ihn wieder hochgekriegt hatte. Sie hat drei Tage gebraucht, bevor sie den Mut fand, zur Polizei zu gehen. Und es half auch nichts, dass sie später ärztlich untersucht wurde. Sie hat nie verstanden, weswegen er über sie hergefallen ist. Sie machte sich Selbstvorwürfe, ihn zu seiner Tat verleitet zu haben. Sie glaubte, dass sie ihm vielleicht auf dieser Party irgendwelche Hoffnungen gemacht hätte. Dass sie irgendetwas gesagt oder angedeutet hätte, was ihn aufgereizt hat. Sie gab sich selbst die Schuld an allem. Ich nehme an, dass das eine verbreitete Reaktion ist.«
    Elín schwieg eine Weile.
    »Als sie sich dann endlich aufgerafft hatte, traf sie auf Rúnar. Ich wäre ja mit ihr gegangen, aber sie schämte sich so, dass sie mir erst viel, viel später erzählte, was passiert war. Holberg hatte ihr gedroht, hatte ihr gesagt, dass er wiederkommen und sie fertig machen würde, falls sie etwas in der Sache unternehmen würde. Als sie zur Polizei ging, glaubte sie, dort Schutz zu finden. Dass sie unterstützt würde. Dass man ihr beistehen würde. Erst als Rúnar sie wieder nach Hause schickte, nachdem er sein Spiel mit ihr getrieben, den Schlüpfer genommen und ihr gesagt hatte, sie solle das alles vergessen, erst danach kam sie zu mir.«
    »Der Schlüpfer ist nie wieder aufgetaucht«, sagte Erlendur. »Rúnar hat es abgestritten …«
    »Kolbrún sagte, dass sie ihm die Unterhose gegeben hätte, und meine Schwester hat nie in ihrem Leben gelogen. Ich weiß nicht, was mit diesem Mann los war. Ich sehe ihn manchmal hier in der Stadt, im Lebensmittelgeschäft oder im Fischladen. Einmal habe ich ihn angeschrien. Ich hatte die Kontrolle über mich verloren. Er schien das richtig zu genießen. Grinste. Kolbrún hat einmal über dieses Grinsen von ihm gesprochen. Er erklärte, dass Kolbrún ihm niemals eine Unterhose gegeben hatte, und dass ihre Aussage so unklar gewesen sei, dass er den Eindruck hatte, sie sei betrunken gewesen. Deswegen hätte er sie nach Hause geschickt.«
    »Er bekam zum Schluss eine Abmahnung«, sagte Erlendur, »aber das hatte letztlich auch keinen Einfluss. Rúnar bekam dauernd Verweise. Er war bei der Polizei als ziemlich scharfer Hund bekannt, aber irgendjemand hielt seine schützende Hand über ihn, bis es nicht länger möglich war, ihn zu verteidigen, und dann wurde er gefeuert.«
    »Es gab keinen Grund, die Sache weiterzuverfolgen, so hieß es damals. Kolbrún sollte die Sache schlicht und ergreifend vergessen, wie Rúnar ganz richtig gesagt hatte. Sie hatte natürlich viel zu lange gewartet, und außerdem war sie dumm genug gewesen, die ganze Wohnung von oben bis unten zu putzen, unter anderem wusch sie auch die Bettwäsche. Zerstörte damit alles Beweismaterial. Sie hob nur den Schlüpfer auf. Trotz allem hob sie dieses einzige Beweisstück auf. Als glaubte sie, dass das genügen würde. Als würde es genügen, einfach nur die Wahrheit zu sagen. Sie wollte diesen Vorfall

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