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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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Grab.
    Aus diesem Albtraum schrak er mit allen Anzeichen des Entsetzens hoch und starrte vor sich hin, bis er sich wieder gefangen hatte. Er rief nach Eva Lind und bekam keine Antwort. Er ging in ihr Zimmer, spürte aber die Leere darin, noch bevor er die Tür öffnete. Er wusste, dass sie weg war.
    Nach Durchsicht des Einwohnerverzeichnisses von Húsavík hatten Elinborg und Sigurður Óli eine Liste von 176 Frauen zusammengestellt, die möglicherweise von Holberg hätten vergewaltigt werden können. Der einzige Anhaltspunkt war die Aussage von Elliði, dass die Sache »ganz ähnlich gelegen habe«, und deswegen gingen sie von Kolbrúns Alter aus, plus/minus 10 Jahre. Bei der ersten Sichtung stellte sich heraus, dass man eine grobe Einteilung in drei Gruppen vornehmen konnte: Ein Viertel wohnte noch in Húsavík, die Hälfte war nach Reykjavík gezogen und ein Viertel übers ganze Land verstreut.
    »Wir enden alle in der Klapsmühle«, stöhnte Elinborg und ließ ihre Blicke über die Liste schweifen, bevor sie sie Erlendur reichte. Sie bemerkte, dass er noch ungepflegter war als gewöhnlich. Die Bartstoppeln waren einige Tage alt, die rotbraunen Haare standen in alle Richtungen, der abgewetzte und zerknitterte Anzug hätte in die Reinigung gemusst; Elinborg überlegte, ob sie ihm anbieten solle, das Zeug für ihn zu entsorgen, aber Erlendurs Miene lud nicht zu Witzen ein.
    »Wie schläfst du denn dieser Tage, lieber Erlendur?«, fragte sie vorsichtig.
    »Auf dem Arsch«, sagte Erlendur.
    »Und was nun«, sagte Sigurður Óli. »Sollen wir einfach zu all diesen Frauen hingehen und sie fragen, ob sie zufälligerweise vor einem Vierteljahrhundert vergewaltigt worden sind? Ist das nicht ziemlich … plump?«
    »Ich sehe nicht, wie es anders gemacht werden könnte. Fangen wir mit denen an, die weggezogen sind«, sagte Erl endur. »Wir beginnen in Reykjavík mit der Suche und sehen zu, ob wir dabei nicht weitere Informationen über die Frau kriegen. Wenn Elliði nicht gelogen hat, dieser Vollidiot, hat Holberg sie Kolbrún gegenüber erwähnt. Vielleicht hat sie ihrer Schwester etwas davon gesagt, oder sogar Rúnar. Ich muss noch mal nach Keflavík fahren.«
    Erlendur dachte einen Augenblick nach.
    »Wir können vielleicht die Gruppe etwas eingrenzen«, sagte er.
    »Eingrenzen? Wie denn?«, sagte Elinborg. »Wie meinst du das?«
    »Mir ist da gerade was eingefallen.«
    »Was?« Sie war in einem neuen, blassgrünen Kostüm zur Arbeit gekommen, das von niemandem bemerkt zu werden schien.
    »Verwandtschaft, Erbgut und Krankheiten«, sagte Erlendur.
    »Ja«, sagte Sigurður Óli.
    »Wir gehen davon aus, dass Holberg ein Vergewaltiger war. Wir haben keine Ahnung, wie viele Frauen er vergewaltigt hat. Wir wissen von zweien und eigentlich mit Bestimm t heit nur von einer. Obwohl er das abgestritten hat, deutet alles darauf hin, dass er Kolbrún vergewaltigt hat. Auður ist seine Tochter, davon müssen wir ausgehen, und genauso gut kann es sein, dass er auch mit der Frau aus Húsavík ein Kind hat.«
    »Noch ein Kind?«, fragte Elinborg.
    »Vor Auður«, antwortete Erlendur.
    »Ist das nicht eher unwahrscheinlich?«, warf Sigurður Óli ein.
    Erlendur zuckte mit den Achseln.
    »Willst du, dass wir die Gruppe auf die Frauen reduzieren, die kurz vor, wann war das noch, 1964 ein Kind bekommen haben?«
    »Meiner Meinung nach wäre das nicht das Dümmste.«
    »Vielleicht hat er Kinder an allen Ecken und Enden«, sagte Elinborg.
    »Es muss nicht sein, dass er mehr als eine Frau vergewaltigt hat«, sagte Erlendur. »Hast du herausgefunden, woran seine Schwester gestorben ist?«
    »Nein, ich arbeite noch daran«, sagte Sigurður Óli. »Ich habe versucht, etwas über die Familienangehörigen von Holberg herauszufinden, aber da ist nichts dabei herausgekommen.«
    »Ich habe die Sache mit diesem Grétar überprüft«, sagte Elinborg. »Er verschwand ganz plötzlich, so als sei er vom Erdboden verschluckt worden. Kein Mensch hat ihn vermisst. Seine Mutter rief die Polizei an, als sie ganze zwei Monate lang nichts von ihm gehört hatte. Ein Bild von ihm erschien in den Zeitungen und im Fernsehen, aber das hatte keinen Erfolg. Es war 1974, als die Jubiläumsfeier zur elfhundertjährigen Besiedlung war. Im Sommer. Wart ihr damals in Þingvellir?«
    »Ich schon«, sagte Erlendur. »Was hat das mit Þingvellir zu tun? Glaubst du, dass er dort verschwunden ist?«
    »Mehr weiß ich nicht«, sagte Elinborg. »Man hat damals diese übliche

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