Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
Vom Netzwerk:
erst in diesem Moment aufgeht, wo du über die Verwandtschaft mit Auður redest. Ich sehe jetzt, dass ich Recht hatte. Ich habe es nicht gleich begriffen, aber der Mann hatte so einen Gesichtsausdruck, von dem ich glaubte, ich würde ihn nie wiedersehen. Es war ein Ausdruck aus der Vergangenheit, den ich nie vergessen habe.«
    »Was war es?«, fragte Erlendur.
    »Deswegen hatte ich keine Angst vor dem Mann.«
    »Was meinst du damit?«
    »Es war mir nicht gleich klar. Er erinnerte mich auch an Auður. Er hatte irgendwas, was mich an sie erinnerte.«

Kapitel 29
    S igurður Óli steckte das Handy in das Futteral am Gürtel und ging zurück zum Haus. Er und einige andere Kripobeamte waren drinnen gewesen, als der Pressluftbohrer durch die Platte gestoßen war, und heraus drang ein so unerträglicher Gestank, dass er angefangen hatte zu würgen. Er war zur Tür hinausgestürzt wie die anderen und hatte das Gefühl, dass er sich übergeben müsste, noch bevor er an die frische Luft kam. Als sie schließlich wieder hineingingen, trugen alle Schutzbrillen und Gesichtsmasken, aber der Gestank drang immer noch durch und war fürchterlich.
    Der Mann am Bohrer vergrößerte das Loch über der kaputten Grundleitung. Das ging ziemlich einfach, nachdem er einmal die Platte durchstoßen hatte. Sigurður Óli konnte sich nicht vorstellen, wie lange es her war, seit das Rohr kaputtgegangen war. Ihm schien es, als hätte sich Kloake auf einer großen Fläche unter dem Fußboden abgesetzt. Aus dem Loch dampfte es. Mit einer Taschenlampe leuchtete er den Horror da unten aus, und ihm kam es so vor, als hätte sich der Erdboden um mindestens einen halben Meter gesenkt.
    Der Horror wirkte wie ein quicklebendige Palette, ganz und gar bedeckt mit wimmelndem schwarzen Ungeziefer. Er schrak zusammen, als eines davon durch den Lichtstrahl schoss.
    »Vorsicht!«, rief er und marschierte zum Ausgang. »Da unten sind auch noch Ratten. Deckt das Loch zu und holt einen Kammerjäger. Wir hören hier auf. Wir hören auf der Stelle auf!«
    Keiner widersprach ihm. Jemand breitete ein Stück Linoleum über das Loch im Boden, und der Keller leerte sich im Nu. Sigurður Óli riss sich die Maske ab, als er aus dem Keller heraus war, und sog hektisch die saubere Luft ein. Die anderen taten es ihm nach.
    Auf dem Rückweg von Keflavík wurde Erlendur über die Einzelheiten der Aktion in Nordermoor unterrichtet. Der Kammerjäger war geholt worden, aber mit weiteren Unternehmungen musste man warten bis zum nächsten Morgen, wenn das, was da unten kreuchte und fleuchte, vernichtet war. Sigurður Óli war nach Hause gegangen und kam aus der Dusche, als Erlendur anrief, um sich zu informieren. Elinborg war auch nach Hause gegangen. Holbergs Wohnung wurde bewacht, während der Kammerjäger am Werke war. Zwei Streifenwagen standen die ganze Nacht vor dem Haus.
    Eva Lind nahm ihren Vater an der Tür in Empfang, als er nach Hause kam. Es war schon nach neun Uhr. Die Braut war nicht mehr da. Hatte zu Eva Lind gesagt, dass sie mit ihrem Mann sprechen und hören wollte, was er dazu meinte. Sie wusste noch nicht, ob sie ihm den wahren Grund sagen würde, warum sie von der Hochzeit abgehauen war. Eva Lind hatte sie darin bestärkt, hatte ihr gesagt, dass dieser widerliche Kerl von ihrem Vater keine Schonung verdiente. Das wäre das Letzte.
    Sie setzten sich ins Wohnzimmer. Erlendur sprach mit Eva Lind über die ganze Ermittlung und über das, was ihm so durch den Kopf ging. Er tat das nicht zuletzt deswegen, weil er selber versuchen wollte, damit ins Reine zu kommen und sich ein klareres Bild von dem zu machen, was in den letzten Tagen passiert war. Er erzählte ihr fast alles, von dem Zeitpunkt an, wo sie bei Holbergs Leiche eintrafen, von dem Geruch in seiner Wohnung, von der Nachricht, von dem alten Foto im Schreibtisch, von den Pornodateien im Computer, der Grabinschrift auf dem Stein, von Kolbrún und ihrer Schwester Elín, von Auður und ihrem nicht geklärten Tod, von den Träumen, die ihn verfolgten, von Elliði im Gefängnis und von Grétar’s Verschwinden, von Marian Briem und der Suche nach einem weiteren Opfer von Holberg und von dem Mann vor dem Haus von Elín, möglicherweise Holbergs Sohn. Er versuchte, das Ganze systematisch darzustellen, diskutierte mit sich selbst ein paar Theorien und strittige Punkte, bis er nicht mehr weiter wusste und verstummte.
    Er sagte Eva Lind nichts davon, dass das Gehirn von Auður nicht vorhanden gewesen war. Er hatte immer

Weitere Kostenlose Bücher