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Nordermoor

Nordermoor

Titel: Nordermoor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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lassen, falls sie einen Mann finden würden, auf den Elín’s Beschreibung passte.
    Elín war noch immer aufgeregt, und Erlendur erschien es angebracht, sie so schnell wie möglich von der Anwesenheit der Polizisten zu befreien. Das gelang ihm ohne weiteres. Sie erklärten, sie hätten Wichtigeres zu tun, als den Launen von alten Schachteln nachzulaufen, passten aber auf, dass Elín das nicht hörte.
    »Ich könnte schwören, dass er hier draußen gestanden hat«, sagte sie zu Erlendur, als sie allein waren. »Ich habe keine Ahnung, wie das möglich ist, aber er war es!«
    Erlendur schaute sie an und hörte, was sie sagte, und sah, dass es ihr vollster Ernst war. Er wusste, dass die letzten Tage eine große Belastung für sie gewesen waren. »Das kann einfach nicht sein, Elín. Holberg ist tot. Ich habe ihn im Leichenschauhaus gesehen.« Er dachte nach und fügte hinzu: »Ich habe sogar sein Herz gesehen.«
    Elín schaute ihn an.
    »War es schwarz?«, fragte sie, und Erlendur dachte daran, wie der Gerichtsmediziner gesagt hatte, er könne nicht sehen, ob es von einem schlechten oder guten Menschen stamme.
    »Der Arzt sagte, er hätte hundert Jahre alt werden können«, sagte Erlendur.
    »Du denkst, ich bin durcheinander«, sagte Elín. »Du glaubst, dass ich mir das nur einbilde. Dass das eine Methode von mir ist, Aufsehen zu erregen, wegen …«
    »Holberg ist tot«, fiel Erlendur ihr ins Wort. »Was soll ich denn glauben?«
    »Dann gibt es jemanden, der ihm aufs Haar gleicht«, sagte Elín.
    »Beschreib mir diesen Mann noch einmal genauer.«
    »Er stand hier auf dem Weg, der zwischen den Häusern auf die Straße führt. Rührte sich nicht vom Fleck und schaute zu mir hinein. Ich weiß nicht, ob er mich gesehen hat. Ich habe versucht, mich nicht blicken zu lassen. Ich hatte gelesen und war aufgestanden, als es zu dunkel im Wohnzimmer wurde, und wollte Licht machen, als ich zufällig aus dem Fenster schaute. Er hatte nichts auf dem Kopf, und es schien ihm nichts auszumachen, dass der Regen nur so auf ihn herunterströmte. Und obwohl er da stand, hatte es fast den Anschein, als ob er in Wirklichkeit weit weg war.«
    Elín dachte nach.
    »Er hatte schwarze Haare, und ich glaube, er war so um die vierzig. Durchschnittlich groß.«
    »Elín«, sagte Erlendur. »Draußen ist es dunkel. Es regnet wie aus Kübeln. Man kam kaum zum Fenster hinaussehen. Der Weg ist nicht beleuchtet. Du trägst eine Brille. Willst du mir sagen, dass …«
    »Es hatte angefangen, dunkel zu werden, und ich bin nicht gleich zum Telefon gestürzt. Ich habe mir den Mann ganz genau angeschaut, sowohl aus diesem Fenster als auch aus dem Küchenfenster. Ich habe eine ganze Zeit gebraucht, bis mir klar wurde, dass das Holberg war oder jemand, der genau wie er aussah. Der Weg ist nicht beleuchtet, aber die Straße ist ziemlich befahren, und jedes Mal, wenn ein Auto vorbeifuhr, fielen die Scheinwerfer auf ihn, und ich habe sein Gesicht deutlich gesehen.«
    »Wie kannst du so sicher sein?«
    »Er sah so aus wie Holberg, als er jünger war«, sagte Elín. »Nicht wie dieser alte Kerl, dessen Bild in der Zeitung war.«
    »Hast du Holberg in seinen jüngeren Jahren gesehen?«
    »Ja, ich habe ihn gesehen. Kolbrún wurde einmal urplötzlich zur Kriminalpolizei bestellt. Ihr war gesagt worden, dass sie nähere Auskünfte in einer bestimmten Sache brauchten. Das stimmte vorne und hinten nicht. Marian Briem war mit der Sache befasst. Was für ein Name ist das überhaupt? Marian Briem! Kolbrún musste in Reykjavík erscheinen. Sie bat mich, mitzukommen, was ich auch tat. Sie sollte zu einer bestimmten Zeit da sein, ich glaube, es war vormittags. Wir kamen dahin, und Marian nahm uns in Empfang und führte uns in ein Zimmer. Da hatten wir eine ganze Zeit gesessen, bis die Tür auf einmal aufging und Holberg zu uns hereinkam. Marian stand hinter ihm in der Tür.«
    Elín verstummte.
    »Und was geschah dann?«, fragte Erlendur.
    »Meine Schwester bekam einen Nervenzusammenbruch. Holberg grinste und machte ein obszönes Zeichen mit der Zunge, und Kolbrún griff nach mir, als sei sie am Ertrinken. Sie keuchte schwer. Holberg fing an zu lachen, und Kolbrún bekam einen Anfall. Sie verdrehte die Augen, der Schaum stand ihr vor dem Mund, und dann brach sie zusammen. Marian hat Holberg dann hinausgeführt. Dort habe ich das Scheusal zum ersten und einzigen Mal gesehen, und die Visage vergesse ich nie.«
    »Und dieses Gesicht, das hast du heute Abend vor dem Haus

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