Nordermoor
einigem Hin und Her kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Platte ganz und gar auseinander brechen könnte, wenn sie auf gar nichts mehr ruhte. Sie beschlossen, eine sicherere und technisch ausgefeiltere Methode zu verwenden, nämlich an diversen Stellen kleine Löcher in die Platte zu bohren und eine kleine Kamera hinunterzulassen.
Die verstehen was von ihrem Job, dachte Sigurður Óli.
Er verfolgte mit, wie die ersten Löcher gebohrt wurden, und dann wurden zwei kleine Fernsehschirme aufgebaut, die mit den zur Verfügung stehenden Kameras verbunden waren. Diese Kameras waren eigentlich nicht viel mehr als Rohre mit einem Scheinwerfer vorne. Sie wurden durch die Löcher abgesenkt und konnten mit einer Fernsteuerung gelenkt werden. Gebohrt wurde dort, wo man unten Hohlräume vermutete, dann wurden die Kameras hinabgelassen und mit einer Fernbedienung gesteuert. Auf den Bildschirmen erschien ein schwarz-weißes Bild, und Sigurður Óli, der selber einen Fernseher Made in Germany besaß, der eine halbe Million Kronen gekostet hatte, fand, dass das Bild ziemlich unscharf war.
Erlendur kam ungefähr zur gleichen Zeit in den Keller, als man angefangen hatte, mit den Kameras zu suchen, und kurze Zeit später traf Elinborg ein. Sigurður Óli bemerkte, dass Erlendur sich rasiert hatte und einen sauberen Anzug trug, der fast so aussah, als sei er gebügelt worden.
»Schon was gefunden?«, fragte Erlendur und zündete sich zum Leidwesen von Sigurður Óli eine Zigarette an.
»Sie suchen mit den Kameras«, sagte Sigurður Óli. »Wir können das am Bildschirm mitverfolgen.«
»War nichts bei der Kloake?«, fragte Erlendur und inhalierte den Rauch.
»Ungeziefer und Ratten, sonst nichts.«
»Was für ein widerlicher Gestank«, sagte Elinborg und hielt sich ein parfümiertes Taschentuch vor die Nase. Erlendur bot ihr eine Zigarette an, die sie aber ablehnte.
»Holberg könnte das Loch verwendet haben, das der Klempner gemacht hat, um Grétar da unten zu verscharren«, sagte Erlendur. »Er hat den Hohlraum gesehen, der sich unter der Bodenplatte gebildet hatte, und dann hat er ganz einfach den Splitt verfrachtet, und Grétar da, wo er wollte, unter der Platte verschwinden lassen.«
Sie traten vor die Bildschirme, konnten aber mit dem, was sie sahen, nicht viel anfangen. Ein schwaches Licht bewegte sich vor und zurück, hoch und runter und zur Seite. Manchmal glaubten sie, die Fundamentplatte zu erkennen, und manchmal sahen sie Geröll. Der Boden war unterschiedlich abgesunken. An einigen Stellen reichte er noch bis unter die Platte, aber an anderen Stellen war bis zu achtzig Zentimetern Spielraum dazwischen.
Sie standen eine ganze Weile und verfolgten die Bilder auf den Bildschirmen mit. Es war laut im Keller, denn es wurden immer neue Löcher gebohrt. Bald verlor Erlendur die Geduld und ging hinaus. Elinborg ging sofort hinter ihm her, und schließlich kam auch Sigurður Óli. Sie setzten sich alle in das Auto von Erlendur. Er hatte ihnen am Abend vorher gesagt, weswegen er so plötzlich vom Tatort verschwunden und nach Keflavík gefahren war, aber sie hatten noch keine Zeit gehabt, das zu besprechen.
»Das passt natürlich zu der Nachricht, die hinterlassen wurde. Und wenn der Mann, den Elín in Keflavík gesehen hat, Holberg so ähnlich war, dann passt das zu der Theorie, dass er ein anderes Kind gehabt hat.«
»Es muss nicht sein, dass ein Sohn von Holberg bei einer Vergewaltigung gezeugt wurde«, sagte Sigurður Óli.
»An und für sich haben wir keinerlei Anhaltspunkte außer dem, was Elliði von einer anderen Frau wusste. Das ist alles. Und Elliði ist sowieso ein Vollidiot.«
»Keiner von denen, die Holberg kannten und mit denen wir gesprochen haben, hat erwähnt, dass er einen Sohn gehabt hat«, sagte Elinborg.
»Keiner von denen, mit denen wir geredet haben, kannte Holberg richtig«, sagte Sigurður Óli. »Darum geht’s. Er war ein Außenseiter, hatte nur Verbindung zu einigen Arbeitskollegen, lud sich Pornos tonnenweise vom Internet herunter, und trieb sich immer mit Armleuchtern und Arschlöchern herum. Niemand weiß etwas über diesen Mann.«
»Sollten wir nicht nach diesem mysteriösen Mann fahnden?«, fragte Elinborg mit einem ironischen Funkeln in den Augen. »Können wir nicht einfach ein Foto von Holberg in jungen Jahren als Vorlage nehmen – und fürs Fernsehen und die Zeitungen eine Phantomskulptur modellieren lassen?«
»Was ich überlege«, sagte Erlendur, ohne Elinborgs spitzen Bemerkungen
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