Nordwind: Kriminalroman (German Edition)
»Es ist nicht leicht, hier echte Herausforderungen zu finden. Die Arbeit an der Hochschule ist wohl im Grunde ein wenig unter meinem Niveau, aber ich finde, das ist es wert.«
»Weil Sie auf Fårö wohnen können?«
»Ja. Ich könnte mir durchaus auch vorstellen, eine Weile auf dem Festland zu leben, aber im Moment fühle ich mich mit meinem Job und mit meinem Haus auf Fårö am wohlsten. Mal sehen, was sich in Zukunft so ergibt.«
»Im Gegensatz zu Ihnen hat Ihre Schwester ziemlich viel Landbesitz«, sagte nun Fredrik. »Sind Sie ausbezahlt worden?«
Alma verzog das Gesicht, lächelte Sara kurz an und blickte dann aus dem Fenster. An einem der vielen Fahrradständer schräg unter ihnen öffneten gerade zwei junge Männer ihre Fahrradschlösser. Einer von ihnen trug einen Hut, der ihn wie einen Zeitreisenden aussehen ließ.
Mit etwas distanzierterem Blick wandte sie sich wieder Fredrik und Sara zu. »Ich habe keine große Lust, darüber zu sprechen.«
Sie fummelte an einem ihrer Blusenknöpfe herum.
»Aha«, erwiderte Sara behutsam. »Gab es da einen Konflikt?«
Alma lächelte müde. »Vermutlich möchte ich deswegen nicht darüber reden.«
Sara nickte verständnisvoll.
»Wie finden Sie es, dass Ihr Halbbruder, Henrik Kjellander, nach Gotland zurückgekehrt ist?«
Alma runzelte die Stirn. Sie schien die Frage ernst zu nehmen und nicht wie Elisabet eine vorgefertigte Antwort präsentieren zu wollen.
»Ich habe mich vor allem darüber gewundert.«
»Weil?«
»Ich hätte nicht gedacht …«
Alma verstummte und überlegte einen Augenblick.
»Ich an seiner Stelle hätte nie wieder einen Fuß auf die Insel gesetzt. Wirklich«, sagte sie dann. »Vor allem nicht nach Großmutters Tod. Ich hätte das alles hinter mir lassen wollen. Es ist mir ein Rätsel, warum er sich das antut, den ganzen Mist noch einmal aufzuwühlen.«
»Sie meinen die Anfechtung des Testaments?«, fragte Sara.
Alma seufzte und setzte ein müdes Lächeln auf, gab aber keine Antwort.
»Gehört das auch zu den Dingen, über die Sie nicht reden wollen?«
»Ja, bitte.«
»Sie haben sich vor vier Jahren ein Haus auf Fårö gekauft«, schaltete sich nun Fredrik wieder ein. »Wie haben Sie den Kauf finanziert?«
Alma sah Fredrik an, beantwortete aber auch diese Frage nicht.
»Tja«, sagte Sara schließlich. »Das Recht zu schweigen können wir Ihnen nicht nehmen.«
Jetzt seufzte Alma. Tief und schwer.
»Es war die Idee meines Vaters, Elisabet das Grundstück zu überschreiben. Er wollte, dass der Hof in der Familie blieb. Das war seine Art, das Problem zu lösen. Ihm machte die Erbteilung Angst. Er fürchtete, wir würden letztendlich verkaufen, weil keine von uns es sich leisten konnte, die andere auszubezahlen.«
»Aber Sie sind nicht entschädigt worden«, sagte Fredrik.
»Doch, er hat meinen Mann und mich beim Hauskauf unterstützt«, antwortete sie beinahe gelangweilt.
»Die Summe entsprach aber nicht dem Wert des Grundstücks.«
Alma richtete sich auf.
»Keine Ahnung. Ich liebe Fårö, aber ich bin nicht daran interessiert, Landwirtschaft zu betreiben.«
»Haben Sie denn Kontakt zu Henrik?«
»Nein.«
»Gar nicht?«
»Nein, ich bin ihm nur ein einziges Mal begegnet. Auf der Beerdigung meiner Mutter.«
»Waren Sie nie neugierig? Er ist schließlich Ihr Halbbruder.«
»Bei uns zu Hause wurde nie über ihn gesprochen. Ich war schon ziemlich groß, als ich von seiner Existenz erfuhr. Warum sie so mit ihm umgegangen sind …«
Alma hielt inne, um nach Worten zu suchen.
»Da müssen Sie meinen Vater fragen«, erklärte sie dann. »Ich war damals noch nicht auf der Welt, und ich habe beschlossen, diese alte Geschichte auf sich beruhen zu lassen.«
Sie machte eine abwehrende Geste. »Ich will einfach mein eigenes Leben führen. Darf ich das?«
Fredrik betrachtete Alma und sah eine junge Frau, die einen sehr bewussten und vielleicht auch klugen Entschluss gefasst hatte. Er ahnte jedoch auch die inneren Widerstände gegen diese Entscheidung. »Bitte schön.« Er deutete auf die Treppe.
Alma zögerte einen Moment, als könnte sie nicht glauben, dass es so einfach war. Dann stand sie auf und verabschiedete sich wortkarg und beinahe ein wenig verdutzt.
»Wir melden uns vielleicht noch einmal«, rief Fredrik ihr hinterher.
Sie warf einen Blick über die Schulter und ging ohne ein weiteres Wort die Treppe hinunter.
11
Malin fuhr rasch zu Nyströms. Sie hatte keinen Knoblauch mehr. Außerdem brauchten sie Milch.
Der
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