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Nore Brand 03 - Racheläuten

Nore Brand 03 - Racheläuten

Titel: Nore Brand 03 - Racheläuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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ab. »Nichts. Nur«, sie zögerte kurz, »eben war Julius bei mir. Er glaubt, dass jetzt Wilma verschwunden ist.«
    Die Frau schien kurz zu erstarren. »Verschwunden?«, wiederholte sie langsam und strich über ihren kahlen Kopf. »Nein, sie ist nicht verschwunden.« Sie schaute Nore Brand verunsichert an. »Julius weiß nur nicht, dass Wilma bei ihrer Großmutter ist. Sie hat bestimmt vergessen, es ihm zu sagen.«
    »Dann wird er sie in der Schule ja sehen«, stellte Nore Brand fest.
    Wilmas Mutter trat einen Schritt zurück. »Sie sind doch wegen der Schildkröte hier, oder?«
    »Ja natürlich. Ich wollte fragen, ob alles wieder in Ordnung sei.« Sie bemühte sich, so beiläufig wie möglich zu klingen. »Diese Kerle, die im Quartier immer wieder Autofenster einschlagen, könnten ja auch mal auf andere Gedanken kommen.«
    Und Schildkröten entführen. Für eine schmackhafte Suppe oder so. Nore Brand ärgerte sich über sich selbst. Sie hatte aus irgendeinem Grund versucht, die Gedanken dieser Frau abzulenken. Dieser Frau behagte es gar nicht, dass die Polizei einfach so vor ihrer Tür auftauchte.
    »Grüßen Sie Wilma von mir. Sie soll sich doch mit Dominik bei mir melden, wenn sie wieder zurück ist.«
    Plötzlich ging im Hintergrund ein Kreischen und Heulen los, als ob jemand ans Messer geliefert würde.
    »Entschuldigen Sie«, sagte Wilmas Mutter, »mein Handy.«
    Als Nore Brand wieder auf der Straße stand, sah sie einen Kombi-Wagen. ›Haus- und Gartenpflege‹, meldeten die frischgrünen Buchstaben.
    Sie drehte sich noch einmal zum Backsteinhaus um. Wovon lebten Wilma und ihre Mutter? Sie versuchte das Monatsgehalt auszurechnen, das notwendig war, um sich diese Wohnungsmiete leisten zu können. In diesem Haus, an dieser Lage.
    Sie sah, wie ein Mann mittleren Alters mit rundem Bauch die Tür des Kombiwagens öffnete. Er trug hellgraue Arbeitskleidung. Sehr sauber und sehr professionell. Seine Brille fiel ihr auf. Wegen der grünen Bügel. Das gleiche Grün wie bei der Inschrift. Man konnte es auch übertreiben. Aber es ging um Corporate Identity und Wilmas Mutter bezahlte diese Brille mit. Auch wenn sie nichts davon ahnte.
    Nore Brand stand einen Moment zweifelnd auf dem Trottoir.
    Sie hatte den ersten halben Tag der Fortbildung in Interlaken bereits verpasst. Ohne Migräne, ohne Bandscheibenvorfall und ohne Kapitalverbrechen.
    Nur weil Julius mit der Nummer 11 am Rücken sich große Sorgen darüber machte, dass Wilma nicht zum Spielen gekommen war. Offenbar war Wilma immer zur Stelle, beim Spielen und für den Weg in die Schule. Warum wäre Julius sonst außer sich gewesen.
    Aber Wilma war bei ihrer Großmutter. Einfach so. Oder doch nicht? Pubertäre Schwierigkeiten konnten jedenfalls noch nicht der Grund dafür sein.
    Die armen Großmütter. Wer im Gymnasium schwänzte, gab vor, an der Beerdigung der Großmutter gewesen zu sein. Es war unfassbar, wie viele Großmütter ausgerechnet während der gymnasialen Ausbildung ihrer Enkel aus dem Leben schieden. Dagegen sprach, dass das Durchschnittsalter aller Europäer, männlichen oder weiblichen Geschlechts immer noch anstieg. Es gab unendlich viele Statistiken, aber hier war sie vermutlich auf eine Lücke gestoßen. Doch sie würde niemanden darüber informieren. Es gab für sie nicht die geringste Notwendigkeit, die Gesellschaft darin zu unterstützen, das verbreitete Misstrauen gegenüber der Jugend zu verstärken. Die meisten Großmütter lebten munter, ob ihr Ableben und die damit verbundenen Trauerfeierlichkeiten als Ausrede gebraucht wurden oder nicht.
    Ab welchem Alter brauchte man keine Ausreden mehr?

    Der Chef hatte Nino Zoppa gebeten, sich etwas umzuschauen. Das hieß, dass die erfolgten Ermittlungen ein Desaster waren.
    Mister Police Academy hatte seinen ersten Fall nicht bravourös gelöst. Daran hatte sein beeindruckender Auftritt vor der Presse nichts geändert.
    Man schien plötzlich wieder auf Nore Brand und ihre belächelten Ermittlungsmethoden zu setzen. Ninos Worten zufolge war der Chef immerhin verwundert, dass sie Anstalten gemacht hatte, seinen Weisungen zu folgen. Anstalten!
    Nore Brand lächelte. Wenn dann irgendeinmal Zeit vorhanden war, wenn nicht die geringste Not dazwischenkam, dann würde sie hingehen, sich hinsetzen, in sich gehen und ihren professionellen Standard überprüfen.
    Vielleicht.

    Nore Brand lächelte immer noch, als sie weiterging. Die Kälte des frühen Morgens war milden Herbsttemperaturen gewichen.
    Die Fenster

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