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Nore Brand 03 - Racheläuten

Nore Brand 03 - Racheläuten

Titel: Nore Brand 03 - Racheläuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marijke Schnyder
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gleich wieder zu senken. »Sie war nie dort.«
    »Was ist los, Frau Fink?«, fragte Nore Brand. »Warum haben Sie gelogen?«
    Henriette Fink schaute sie verzweifelt an. »Weil alles so verdammt ungerecht ist und kompliziert!«, entfuhr es ihr.
    »Alles? Was meinen Sie damit?«, fragte Nore Brand.
    »Es war von Anfang an ungerecht.«
    Nore Brand schwieg.
    »Wegen Wilma«, stiess sie hervor.
    Henriette Fink drückte hastig das Taschentuch vor den Mund.
    »Das dürfte ich vielleicht nicht sagen. Sie kann ja gar nichts dafür«, flüsterte sie.
    Da schlug Nore Brand zornig auf den Tisch. »So reden Sie doch endlich, Frau Fink, und bitte so, dass ich etwas davon verstehe!«
    Henriette Fink duckte sich erschrocken.
    Doch Nore Brand erfuhr die Geschichte von Henriette Fink. Eine Geschichte, die sie sich inzwischen in groben Zügen selber zusammengereimt hatte. Es war auch nicht schwer gewesen. So oft waren diese Angelegenheiten des Schicksals leicht zu begreifen; es schien ihr, als ob alle Menschen von merkwürdig ähnlichen Impulsen getrieben würden.
    Eine attraktive junge Frau in einem Männerbetrieb. Lange, dunkle Haare. Keine Ahnung vom Leben, aber geschmeichelt von der großen Aufmerksamkeit, die sie erfährt. Sie genießt die eine und andere Affäre. Wird schwanger, will das Kind behalten.
    Das ist ein Fehler, denn das verändert ihr Leben.
    Man wird ihrer überdrüssig, man zeigt es ihr unverhohlen. »Zuerst war es ihnen unangenehm, ich glaube, sie schämten sich sogar ein bisschen. Aber ich bin ihnen auf die Nerven gegangen, das hat mir gefallen mit der Zeit«, sagte Henriette Fink trotzig.
    Sie ging trotzdem, weil ihr nichts anderes übrigblieb. Gedemütigt und enttäuscht. Es war schwer, eine neue Arbeit zu finden. Das Geld reichte für eine Reise nach Australien. Auch dort konnte man ein Kind zur Welt bringen. Dann die Mitteilung der Bank: Kontoüberziehung. Zurück in Bern, wiederholte sich der letzte Teil ihrer Geschichte. Die Zeiten waren nicht günstig, keiner hatte auf Henriette Fink gewartet. »Ich habe mich um viele Stellen beworben. Schliesslich hatte ich so viele Absagen wie Bewerbungen.«
    Bei diesen Worten schaute sie die Kommissarin anklagend an, als ob diese mitschuldig sei an ihrem Schicksal.
    Nore Brand forderte sie auf weiterzureden.
    Ihre Mutter unterstütze sie seither ein bisschen, fuhr Henriette Fink fort. »Seit drei Monaten arbeite ich in einem Call-Center. Als Vertretung.«
    Sie schaute an Nore Brand vorbei, mit ihren roten Augen im geschwollenen Gesicht.
    »Wo ist Wilma?«, fragte Nore Brand.
    Da schluchzte Henriette Fink auf. Sie schien für eine Weile vergessen zu haben, aus welchem Grund sie an diesem Tisch saß.
    »Wilma ist weg, seit Sonntagabend. Und Dominik auch.«
    Nore Brand schaute sie prüfend an. Doch, sie glaubte ihr, aber warum lebte sie in dieser teuren Wohnung? Das passte nicht in die Geschichte, die Henriette Fink vor ihr ausgebreitet hatte.
    Nur wenn ihre Mutter sehr tief in die Tasche griff.
    Henriette Fink schien sich langsam wieder zu fassen. Mit einem Lächeln deutete sie auf den Kühlschrank. »Sie hat Ihnen auch eine Zeichnung gebracht«, lächelte sie. »Sie zeichnet sehr gern.«
    Nore Brand drehte sich um. Dominik lachte. Gar nichts konnte ihn daran hindern.
    »Bitte suchen Sie Wilma!«, flehte Henriette Fink und schnäuzte sich heftig.
    »Das werde ich tun, aber warum kommen Sie erst jetzt zu mir?«
    Henriette Fink schob das nasse Taschentuch in den weiten Ärmel ihres Pullovers. »Wilma«, begann sie, »Wilma ist eigensinnig. Wenn sie sich etwas in den Kopf setzt, haben wir es schwer miteinander. Dann ertragen wir einander nicht. Dann haben wir beide richtige Krisen. Einmal war sie zwei Tage bei einer Freundin. Die Mutter hatte nichts dagegen. Ich dachte, dass sie dieses Mal auch …«
    Henriette brach ab und starrte ins Leere.
    »Das heißt, dieses Mal ist sie nicht bei ihrer Freundin?«
    »Ich konnte ihre Mutter lang nicht erreichen«, versuchte Henriette Fink zu erklären.
    »Damit haben wir Zeit verloren«, sagte Nore Brand.
    »Zeit verloren?« Henriette Fink schaute verständnislos.
    »Ja. Wir haben viel Zeit verloren. Warum haben Sie mich zuerst angelogen?«
    Henriette Fink schaute auf den Tisch. »Es ist schon schwer genug, wenn das eigene Kind abhaut, oder?« Sie hob kurz den Blick. »Aber dieses Mal verstehe ich gar nichts. Ich habe keine Ahnung. In den letzten Wochen hatten wir es gut miteinander.«
    »War sie verändert? Hat sie etwas

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