Northanger Abbey
entgegengesetzter Gefühle – abgewiesen von Catherine, gescheitert mit seinem Versuch, eine Versöhnung zwischen Morland und Isabella herbeizuführen, und nun, da ihm die Trennung endgültig schien, voller Geringschätzung für eine so durch und durch nutzlose Freundschaft – nichts Eiligeres zu tun gehabt hatte, als alles zu widerrufen, was er zuvor Gutes über die Morlands gesagt hatte, und sich getäuscht bekannte, auf der ganzen Linie getäuscht in ihren Verhältnissen und ihrem Ruf. Die Aufschneidereien seines Freundes hätten ihn dazu verleitet, in seinem Vater einen Mann von Vermögen und Ansehen zu vermuten, doch die Vorgänge der letzten zwei, drei Wochen hätten gezeigt, daß er nichts davon war: regelrecht überschlagen habe er sich vor üppigen Angeboten, sobald von einer Heirat zwischen den beiden Familien die Rede gewesen sei, nun aber, durch das Geschick des Berichterstatters in die Enge getrieben, habe er eingestehen müssen, daß er dem jungen Paar nicht einmal ein leidliches Auskommen sichern konnte. Eine Familie von Hungerleidern sei es, so vielköpfig, daß es gar nicht zu sagen war; mitnichten geachtet in ihrer Heimatgegend, wie zu entdecken er erst kürzlich Gelegenheit gehabt habe; nach einem Lebensstil gierend, den ihre Finanzen nicht annähernd hergaben und nur darauf aus, sich durch reiche Heiraten zu verbessern; eine unverschämte, großmäulige, ränkevolle Bande.
Der entsetzte General ließ mit fragendem Blick den Namen Allen fallen; und auch da hatte Thorpe seinen Irrtum begreifen müssen. Die Allens, so sagte er voraus, seien die längste Zeit ihre Nachbarn gewesen, und er kenne den jungen Mann, auf den der Besitz übergehen würde. Der General hatte genug gehört. Über Kreuz mit nahezu jedem außer seiner eigenen Person brach er am nächsten Tag nach Northanger auf, mit Folgen, die wir kennen.
Meine scharfsinnigen Leser mögen selbst entscheiden, wieviel von alledem Henry Catherine bei ihrem Gespräch berichtethaben konnte, welchen Teil er von seinem Vater wußte, wo ihm eigene Mutmaßungen zu Hilfe kamen und was erst später durch einen Brief von James offenbart wurde. Ich habe zu ihrer Bequemlichkeit gebündelt, was sie zu der meinigen wieder aufdröseln müssen. So oder so erfuhr Catherine genug, um zu finden, daß sie sich mit ihrem Verdacht, er habe seine Frau ermordet oder weggesperrt, weder groß an General Tilneys Charakter versündigt noch seine Grausamkeit übertrieben hatte.
Der arme Henry litt beim Erzählen fast so wie in dem Moment, da er all dieser Dinge über seinen Vater erstmals innegeworden war. Die engstirnigen Ansichten, die er hier offenlegen mußte, trieben ihm die Schamröte ins Gesicht. Das Gespräch der beiden in Northanger war höchst ungut verlaufen. Henrys Empörung, als er hörte, wie Catherine mitgespielt worden war – als er den Standpunkt seines Vaters vernahm und Order erhielt, sich ihm unterzuordnen –, war offen und ungeschminkt gewesen. Der General, der es gewohnt war, in seiner Familie alles bis ins Kleinste zu bestimmen, und der auf keinerlei Widerstand gefaßt war als auf den des Gefühls, auf kein ketzerisches Wollen, das es wagen würde, sich in Worte zu kleiden, tobte über diese Auflehnung seines Sohnes, den die Stimme der Vernunft und das Diktat des Gewissens zweifach unbeugsam machten. So überzeugt war Henry von der Gerechtigkeit seiner Sache, daß ihn der väterliche Zorn zwar bestürzen, nicht aber einschüchtern konnte. Ehre und Neigung banden ihn gleichermaßen an Miss Morland, und da er das Herz, das zu gewinnen er ausgeschickt worden war, fast sicher in seinem Besitz wußte, konnte kein unwürdiger Entzug der stillschweigenden Zustimmung, kein jähzornig erteilter Gegenbefehl seine Treue erschüttern oder die Vorsätze, die sie ihm eingab, umstürzen.
Er blieb standhaft bei seiner Weigerung, seinen Vater nach Herefordshire zu begleiten, eine aus dem Boden gestampfte Unternehmung, nur um Catherine loszuwerden, und nichtminder standhaft bei seinem Entschluß, um sie anzuhalten. Der General geriet außer sich vor Wut, und sie gingen in fürchterlichem Streit auseinander. Henry war fast sofort nach Woodston zurückgekehrt, in einem inneren Aufruhr, den viele Stunden des Alleinseins nur halbwegs beschwichtigen konnten, und am Nachmittag des folgenden Tages hatte er sich nach Fullerton aufgemacht.
XVI. KAPITEL
Mr. und Mrs. Morlands Überraschung, als Mr. Tilney sie um die Hand ihrer Tochter bat, war einige Minuten lang
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