Northanger Abbey
oder?«
»Mein Taufpate! – nein.«
»Aber Sie sind recht viel dort.«
»Ja, das schon.«
»Das hab ich gemeint. Scheint ja ein ganz kommoder alter Knabe zu sein, und wie’s aussieht, auch kein Kostverächter; seine Gicht wird nicht von nichts kommen. Trinkt er denn hier auch sein tägliches Fläschlein?«
»Sein tägliches Fläschlein? Nein. Wie kommen Sie auf so etwas? Er ist ein sehr maßvoller Mensch, und er hat auf Sie doch gestern gewiß nicht betrunken gewirkt?«
»Sapperlot! Daß ihr Frauen immer gleich denkt, Männer müßten betrunken sein. Warum bildet ihr euch ein, eine Flasche haut einen Mann schon um? Eins weiß ich sicher – wenn jeder sein Fläschlein täglich leeren würde, dann gäb’s nicht halb so viele Mißstände in der Welt wie jetzt. Es wäre eine kapitale Sache für uns alle.«
»Das kann ich nicht glauben.«
»Beim Jupiter! es wäre für Tausende die Rettung. In diesem Land wird nicht ein Hundertstel soviel Wein getrunken, wie getrunken gehörte. Unsrem Nebelwetter will schließlich abgeholfen werden.«
»Aber in Oxford wird doch so viel Wein getrunken, heißt es?«
»Oxford! In Oxford kann von Trinken keine Rede mehr sein, das sag
ich
Ihnen. Kein Mensch trinkt da. Den Mann müssen Sie erst mal suchen, der mehr schafft als seine zwei Liter, wenn’s hochkommt! Bei der letzten Feier bei mir in der Bude haben wir knappe drei pro Nase weggezecht, und
das
war schon viel.
Das
schien schon allen der Rede wert. Gut, bei mir gibt’s auch einen ausgezeichneten Tropfen, sicher. So was kriegen Sie in Oxford nicht alle Tage, das wird mit einGrund sein. Trotzdem, jetzt haben Sie einen Begriff davon, wie es dort mit der allgemeinen Trinkfestigkeit steht.«
»Den habe ich allerdings«, sagte Catherine mit Nachdruck, »nämlich, daß Sie alle viel, viel mehr Wein trinken, als ich gedacht hätte. Aber ich bin mir sicher, daß James nicht so unmäßig ist.«
Diese Vermutung löste eine laute, polternde Suada aus, von der nichts sonderlich verständlich war als die zahlreichen Ausrufe, um nicht zu sagen Flüche, mit denen sie gespickt war, und als sie endete, sah sich Catherine einerseits in ihrer Überzeugung bestärkt, daß in Oxford Unmengen an Wein konsumiert wurden, andererseits aber auch in ihrer frohgemuten Annahme, daß ihr Bruder sich vergleichsweise zurückhielt.
Thorpes gesamtes Denken richtete sich daraufhin wieder auf die Vorzüge seines Gefährts, und Catherine mußte die Lebhaftigkeit und Leichtigkeit bestaunen, mit der sein Pferd trabte, mußte die Geschmeidigkeit bewundern, mit der seine Gangarten sowie die exzellente Federung des Wagens sie dahinrollen ließen. Sie stimmte in seine Begeisterung ein, so gut sie es vermochte. Ihm mit Lob zuvorkommen oder ihn überbieten konnte sie nicht. Seine Kenntnis und ihre Unkenntnis der Materie, sein Vorwärtspreschen und ihr schüchternes Sich-Zurücknehmen machten dies zu einem Ding der Unmöglichkeit; sie wußte nichts Eigenes beizusteuern, betete dafür aber bereitwillig nach, was immer ihm gefiel zu behaupten, und sie gelangten höchst einvernehmlich zu dem Ergebnis, daß seine Ausstattung die vollständigste ihrer Art, sein Wagen der gepflegteste, sein Pferd das leichtfüßigste und er selbst der beste Kutscher in ganz England sei. – »Sie glauben aber doch nicht wirklich«, sagte Catherine, als ihr die Frage endlich so erschöpfend geklärt schien, daß sie das Thema ein klein wenig abzuwandeln wagte, »daß James’ Gig entzweibrechen könnte?«
»Entzweibrechen! Herr im Himmel! Hat man je im Lebenso eine windige alte Klapperkiste gesehen? An dem ganzen Ding ist nicht ein Stück solides Eisen. Die Räder sind seit mindestens zehn Jahren am Ende – und erst das Gestell! Meiner Treu, es zerfällt ja, wenn man es nur anpustet. Es ist das verteufeltste Wackelteil, das mir je untergekommen ist! – Gott sei Dank, daß wir nicht in so was sitzen. Ich würde keine zwei Meilen darin fahren wollen, und wenn man mir fünfzigtausend Pfund dafür böte.«
»Guter Gott!« rief Catherine voll Bestürzung, »wir müssen unbedingt umkehren; sie werden ganz sicher verunglücken, wenn wir weiterfahren. Bitte kehren wir um, Mr. Thorpe; halten Sie an und reden Sie mit meinem Bruder, sagen Sie ihm, in welcher Gefahr sie schweben!«
»Gefahr! Pah, was für eine Gefahr denn? Sie setzen sich höchstens in den Dreck, wenn das Ding bricht; und bei dem Matsch hier werden sie weich landen. Nein, verflixt, der Wagen ist sicher genug, wenn ein Mann sich
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