Northanger Abbey
nächste Saison ein Haus in Leicestershire nehmen. In einem Gasthof ist es immer so verd-- unbequem.«
Das war der letzte Satz, mit dem er Catherines Höflichkeit strapazieren konnte, denn in dem Moment wurde er durch eine lange Kette sich vorbeischiebender Damen abgedrängt und war fort. Ihr Partner kam nun heran und sagte: »Mit diesem Herrn hätte ich die Geduld verloren, wenn er auch nur eine halbe Minute länger bei Ihnen geblieben wäre. Er hat kein Recht, mir die Zuwendung meiner Tanzpartnerin abspenstig zu machen. Wir haben uns für die Dauer eines Abends gegenseitige Aufmerksamkeit zugesagt, und all unser Augenmerk ist für diese Zeit ausschließlich einander vorbehalten. Niemand kann einen von uns in Beschlag nehmen, ohne den anderen in seinen Rechten zu beschneiden. Ich sehe den Reihentanz als ein Symbol für die Ehe. Treue und Entgegenkommen sind bei beidem oberste Pflicht; und die Männer, die selbst nicht bereit sind zu tanzen oder sich zu verheiraten, haben die Tänzerinnen oder Ehefrauen ihres Nächsten in Ruhe zu lassen.«
»Aber das sind zwei so völlig unterschiedliche Dinge …«
»… daß Sie finden, man kann sie nicht vergleichen.«
»Auf gar keinen Fall. Leute, die heiraten, dürfen sich nie wieder trennen, sondern müssen zusammen in einem Hauswohnen bleiben. Leute, die tanzen, stehen sich nur eine halbe Stunde in einem langen Saal gegenüber.«
»Und das ist Ihre Definition von der Ehe und vom Tanzen. In diesem Lichte betrachtet, ist die Ähnlichkeit natürlich nicht allzu groß; aber ich glaube, das ließe sich ändern. – Sie werden zugeben, daß in beidem der Mann den Vorteil der freien Wahl hat und die Frau lediglich die Macht abzulehnen; daß eins wie das andere ein Pakt zwischen Mann und Frau ist, der dem Nutzen beider dienen soll, und daß sie, solange er währt, ausschließlich einander gehören; daß sie dem Partner möglichst keinen Anlaß geben dürfen, seinen Entschluß zu bereuen, und daß es in ihrem eigenen besten Interesse liegt, die Phantasie nicht zu den Vorzügen ihrer Nachbarn schweifen zu lassen oder sich einzubilden, sie wären mit einem anderen besser bedient. Räumen Sie all dies ein?«
»Ja, sicher, so wie Sie es sagen, klingt das alles sehr gut; aber es sind trotzdem so ungeheuer verschiedene Dinge. Ich kann sie einfach nicht im selben Licht betrachten oder finden, sie würden dieselben Pflichten mit sich bringen.«
»Gut, in einer Hinsicht sind sie natürlich unterschiedlich. In der Ehe hat der Mann für den Unterhalt der Frau aufzukommen und die Frau ihm das Zuhause angenehm zu machen: er liefert, und sie lächelt. Aber beim Tanzen sind die Pflichten genau umgekehrt verteilt; für Liebenswürdigkeit und Gefälligkeit sorgt er, während sie den Fächer und das Lavendelwasser beisteuert. Das, nehme ich an, war der Unterschied bei den Pflichten, der Ihnen so aufstößt, daß sich ein Vergleich für Sie verbietet.«
»Nein, gar nicht, daran habe ich überhaupt nicht gedacht.«
»Dann bin ich mit meinem Latein am Ende. Eins muß ich allerdings bemerken. Diese Grundhaltung, die Sie da offenbaren, ist einigermaßen bestürzend. Sie lassen keinerlei Ähnlichkeiten bei den Verpflichtungen gelten; und muß ich daraus nicht schließen, daß Ihre Auffassung von den Pflichten der Tanzpartnerschaft weniger streng ist, als Ihr Tänzer daserwarten darf? Habe ich nicht Anlaß zu der Befürchtung, wenn der Herr, der eben mit Ihnen gesprochen hat, wiederkäme, oder wenn irgendein anderer Gentleman Sie ansprechen würde, könnte nichts Sie davon abhalten, so lange mit ihm zu plaudern, wie es Ihnen paßt?«
»Mr. Thorpe ist ein so besonders enger Freund meines Bruders, daß ich ihm antworten muß, wenn er etwas zu mir sagt; aber außer ihm gibt es hier im Saal keine drei jungen Männer, mit denen ich im mindesten bekannt bin.«
»Und das soll meine einzige Sicherheit sein? O weh, o weh.«
»Nein, eine bessere können Sie doch gar nicht haben; denn wenn ich niemanden kenne, kann ich ja unmöglich mit jemandem reden; und außerdem
will
ich auch mit gar niemandem reden.«
»Jetzt haben Sie mir eine Sicherheit gegeben, die den Namen verdient, und ich kann getrost fortfahren. Gefällt Ihnen Bath denn immer noch so gut wie beim letzten Mal, als ich die Ehre hatte, Ihnen diese Frage zu stellen?«
»Ja, unbedingt – noch besser sogar.«
»Noch besser! Geben Sie acht, sonst versäumen Sie es noch, der Stadt rechtzeitig überdrüssig zu werden – Sie sollten nach sechs Wochen
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