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Northanger Abbey

Northanger Abbey

Titel: Northanger Abbey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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denn schon bald fiel ihr ein, daß sie erstens keine Entschuldigung fürs Daheimbleiben hatte und es zweitens ein Stück war, das sie sehr gern sehen wollte. Ins Theater begaben sie sich denn allesamt; keine Tilneys erschienen, um ihr das Herz zu beschweren oder zu erleichtern; zu den vielen Tugenden der Familie zählte nicht die Theaterleidenschaft, fürchtete sie – oder sie waren ganz einfach die hochkarätigeren Inszenierungen der Londoner Bühnen gewohnt, gegen die sich, wie sie aus Isabellas berufenem Mund wußte, alles andere »schaurig öde« ausnahm. Sie selbst sah sich in ihrer Erwartung eines heiteren Abends nicht getäuscht; die Komödie drängte ihre Kümmernisse so gut in den Hintergrund, daß niemandem,der sie während der ersten vier Akte beobachtete, der Verdacht gekommen wäre, es könnte sie etwas bedrücken. Zu Beginn des fünften jedoch brachte ihr der Anblick von Mr. Henry Tilney und seinem Vater, die sich zu einer Gruppe in der Loge gegenüber gesellten, mit einem Schlag Bangigkeit und Sorge zurück. Die Bühne konnte ihr kein echtes Vergnügen mehr bescheren – konnte nicht mehr ihre ganze Aufmerksamkeit fesseln. Fast jeder zweite ihrer Blicke galt der Loge gegenüber, und zwei komplette Szenen hindurch beobachtete sie so Henry Tilney, ohne daß er ein einziges Mal zurückgeschaut hätte. Niemand konnte ihn nun mangelnder Passion fürs Theater bezichtigen; ganze zwei Szenen lang vermochte ihn nichts von dem Geschehen auf der Bühne abzulenken. Schließlich aber sah er doch zu ihr hinüber und verbeugte sich – doch welch eine Verbeugung! begleitet von keinem Lächeln, keinerlei weiterem Augenmerk; sein Blick schlug unverzüglich wieder die alte Richtung ein. Catherine konnte kaum stillsitzen vor lauter Unglück; am liebsten wäre sie hinübergelaufen zu der Loge, in der er saß, damit er sie anhören
mußte
. Es waren eher menschliche denn heldinnenhafte Gefühle, die sie bewegten; anstatt sich durch seine vorschnelle Verurteilung in ihrer Würde verletzt zu sehen – anstatt, ganz die gekränkte Unschuld, stolz zu beschließen, ihn für seine Zweifel an ihr büßen zu lassen, indem er sich allein auf die Suche nach einer Erklärung machen durfte und von ihr keine weitere Hilfestellung erhielt, als daß sie durch ihn hindurchsah oder mit einem anderen flirtete, nahm sie die ganze Schmach des Mißverhaltens oder zumindest dessen Anschein auf sich und brannte nur darauf, sich rechtfertigen zu dürfen.
    Das Stück endete – der Vorhang fiel – Henry Tilney war nicht mehr an seinem Platz, aber sein Vater saß noch da; und vielleicht war er ja in diesem Moment auf dem Weg zu ihrer Loge. Sie täuschte sich nicht; nach nur wenigen Minuten erschien er, und indem er durch die sich schon lichtenden Reihen näher kam, begrüßte er mit gleichmäßig ruhigerHöflichkeit Mrs. Allen und ihre junge Freundin. – Beileibe nicht so ruhig antwortete ihm letztere: »O Mr. Tilney, Sie ahnen ja gar nicht, wie sehr ich Sie schon die ganze Zeit sprechen und mich bei Ihnen entschuldigen will. Sie müssen es so unhöflich von mir gefunden haben; aber es war wirklich nicht meine Schuld – oder, Mrs. Allen? Haben die anderen mir nicht gesagt, Mr. Tilney und seine Schwester wären in einem Phaeton ausgefahren? und was blieb mir da übrig? Aber ich wäre zehntausendmal lieber mit Ihnen gegangen, nicht wahr, Mrs. Allen?«
    »Mein Liebes, du zerdrückst mir mein Kleid«, lautete Mrs. Allens Antwort.
    Catherines Beteuerung, wenngleich unsekundiert, ging dennoch nicht ins Leere; sie zauberte ein herzlicheres, natürlicheres Lächeln auf seine Züge, und in einem Ton, in dem nur ein Rest künstlicher Reserviertheit mitschwang, erwiderte er: »Wir waren Ihnen immerhin sehr verbunden, daß Sie uns noch einen schönen Spaziergang gewünscht haben, nachdem wir uns in der Argyle Street begegnet sind; Sie waren so nett, sich eigens zu dem Zweck nach uns umzudrehen.«
    »Aber ich habe Ihnen keinen schönen Spaziergang gewünscht, das wäre mir nie eingefallen; nein, ich habe Mr. Thorpe so dringend gebeten, anzuhalten, ich habe gerufen und gerufen, gleich nachdem ich Sie gesehen hatte, nicht wahr, Mrs. Allen, ich – ach! Sie waren ja gar nicht dabei, aber es stimmt wirklich, und wenn Mr. Thorpe nur gebremst hätte, dann wäre ich herausgesprungen und Ihnen nachgelaufen.«
    Kann irgendein Henry auf dieser Welt unempfänglich sein für eine solche Suada? Henry Tilney zumindest war es nicht. Mit noch netterem Lächeln sprach er

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