Northanger Abbey
mein Lieber, in höchstem Maße merkwürdig. Ich kann es gar nicht mit ansehen.«
»Aber liebe Mrs. Allen«, rief Catherine, »warum haben Sie mir das denn nicht vorher gesagt? Wenn ich das gewußt hätte, wäre ich doch bestimmt nicht mit Mr. Thorpe ausgefahren; aber ich dachte immer, Sie würden mich warnen, wenn Sie merken, daß ich etwas falsch mache.«
»Und das würde ich auch, verlaß dich nur drauf, denn wie ich Mrs. Morland beim Abschied versichert habe, tue ich alles für dich, was ich kann. Aber man darf auch nicht überkritisch sein. Junge Leute sind und bleiben junge Leute, wie deine liebe Mutter selbst zu sagen pflegt. Du weißt, daß ich nicht wollte, daß du diesen geblümten Musselin kaufst, als wir frischhier angekommen waren, aber du hast es dir nicht ausreden lassen. Junge Leute wollen nicht immer nur Verbote hören.«
»Aber das hier wiegt doch viel schwerer; und Sie hätten mich auch bestimmt ganz leicht überzeugt.«
»Noch ist ja nicht so viel passiert, daß Schaden entstanden wäre«, sagte Mr. Allen, »und ich möchte Ihnen nur ans Herz legen, meine Liebe, nicht nochmals mit Mr. Thorpe auszufahren.«
»Genau das wollte ich auch sagen«, fügte seine Frau an.
Catherine, wiewohl erleichtert um ihrer selbst willen, dachte beklommen an Isabella; und nach kurzem Überlegen fragte sie Mr. Allen, ob es nicht richtiger und netter von ihr wäre, wenn sie an Miss Thorpe schrieb und ihr die Ungehörigkeit ihres Verhaltens klarmachte, der sie sich sicher so wenig bewußt war wie Catherine selbst; denn sonst, so befürchtete sie, würde Isabella morgen am Ende trotz allem nach Clifton wollen. Mr. Allen jedoch riet ihr davon ab. »Halten Sie sich da lieber heraus, meine Liebe, sie ist alt genug, um zu wissen, was sie tut, und wenn nicht, so hat sie eine Mutter, die sie um Rat fragen kann. Mrs. Thorpe ist zweifellos zu nachgiebig; trotzdem, es ist besser, Sie mischen sich nicht ein. Miss Thorpe und Ihr Bruder sind entschlossen zu fahren, da ernten Sie nur Undank.«
Catherine fügte sich; und wenngleich bedrückt bei dem Gedanken, daß Isabella etwas Unrechtes vorhatte, war sie doch sehr beruhigt, daß Mr. Allen ihr Verhalten billigte, und gottfroh darüber, durch seinen Rat vor einem ähnlichen Fehltritt bewahrt worden zu sein. Dem Ausflug nach Clifton entronnen zu sein war wahrlich ein knappes Entrinnen; denn was hätten die Tilneys von ihr denken sollen, wenn sie ihr Versprechen gebrochen hätte, um etwas zu tun, was in sich bereits unrecht war – wenn sie den einen Verstoß gegen die Gebote der Schicklichkeit auf sich geladen hätte, nur um frei zu sein für den nächsten?
XIV. KAPITEL
Der folgende Tag brachte freundliches Wetter, und Catherine machte sich schon auf den nächsten Anschlag der Reisegesellschaft gefaßt. Mit Mr. Allen als Rückhalt sah sie ihm furchtlos entgegen; aber sie verzichtete gerne auf einen Kampf, bei dem auch der Sieg schmerzhaft wäre, und war darum herzlich froh, von den anderen nichts zu sehen oder zu hören. Die Tilneys holten sie zur vereinbarten Zeit ab; und da keine neue Schwierigkeit auftrat, keine Mahnung in letzter Minute, unerwartete Abberufung oder dreiste Einmischung, die ihre Pläne durchkreuzt hätte, sah sich meine Heldin auf geradezu widernatürliche Weise befähigt, ihre Verabredung einzuhalten, und das, obwohl der Held selbst mit von der Partie war. Sie beschlossen, den Beechen Cliff zu umrunden, diesen stattlichen Hügel, dessen schimmerndes Grün und dicht wucherndes Laubwerk ihn von nahezu jedem freien Platz in Bath aus zu einem so eindrucksvollen Blickfang macht.
»Ich kann ihn nie anschauen«, sagte Catherine, als sie am Fluß entlanggingen, »ohne an Südfrankreich zu denken.«
»Waren Sie denn im Ausland?« fragte Henry ganz verblüfft.
»Nein, nein, was ich darüber gelesen habe, meine ich. Er erinnert mich immer an die Landschaft, durch die Emily in
Die Geheimnisse von Udolpho
mit ihrem Vater reist. Aber Sie lesen ja sicher keine Romane, oder?«
»Wieso nicht?«
»Weil sie Ihnen nicht gelehrt genug sind – Männer lesen bessere Bücher.«
»Jemand, der keine Freude an einem guten Roman hat, muß unerträglich dumm sein, ganz gleich ob Mann oder Frau. Ich habe sämtliche Bücher von Mrs. Radcliffe gelesen, und fast alle mit dem größten Vergnügen.
Die Geheimnisse von Udolpho
konnte ich gar nicht mehr aus der Hand legen, nachdem ich es einmal angefangen hatte; – ich weiß noch, ich habe nur zwei Tage dafür gebraucht – und die
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