Northanger Abbey
gleichermaßen wandte, nicht einzuschätzen. Aber was für Gefühle vor Catherines Eintreffen auch vorgeherrscht haben mochten, ihre eifrigen Beteuerungen sorgten schnellstens dafür, daß jeder Blick und jedes Wort so freundlich wurden, wie sie sich das nur wünschen konnte.
Nachdem die Sache so zu einem glücklichen Ende gebracht war, wurde Catherine von Miss Tilney ihrem Vater vorgestellt, und er begrüßte sie mit solch bereitwilliger, ja beflissener Zuvorkommenheit, daß sie sich an Thorpes Aussagen erinnerte und ganz angetan dachte, daß manchmal anscheinend doch Verlaß auf ihn war. So überaus gut meinte es der General in seiner Ritterlichkeit mit ihr, daß er sich – da er von ihrem überhasteten Eindringen in sein Haus nichts ahnte – über den Diener empörte, dessen Nachlässigkeit sie dazu gezwungen hatte, die Tür zum Salon eigenhändig zu öffnen. Was habe William nur geritten? Er müsse der Angelegenheit unbedingt nachgehen. Und hätte Catherine nicht lebhaft Williams Unschuld betont, so hätte es sein können, daß ihr Ungestüm ihn die Gunst seines Herrn, wenn nicht gleich seine Stellung gekostet hätte.
Nachdem sie ihre Viertelstunde geblieben war, erhob siesich und war um so angenehmer überrascht, als General Tilney fragte, ob sie nicht seiner Tochter die Ehre geben wolle, mit ihnen zu speisen und auch den Rest des Tages mit ihr zu verbringen. Miss Tilney schloß sich seinen Bitten an. Catherine dankte ihnen sehr, aber daran sei leider nicht zu denken, Mr. und Mrs. Allen erwarteten sie jeden Augenblick zurück. Der General gab sich geschlagen: Mr. und Mrs. Allens Ansprüche gingen selbstredend vor – aber ein andermal, wenn sie zeitiger verständigt werden könnten, hätten sie doch gewiß nichts dagegen, sie ihrer Freundin abzutreten? O nein, Catherine war sich sicher, daß sie nicht das Geringste einzuwenden hätten; sie würde mit dem größten Vergnügen kommen. Der General geleitete sie persönlich bis zur Haustür und überschüttete sie auf dem Weg die Treppe hinunter mit Galanterien, pries ihren federnden Gang, der so ganz ihren geschmeidigen Bewegungen beim Tanzen entspreche, und verabschiedete sie mit einer der elegantesten Verbeugungen, deren Catherine je ansichtig geworden war.
Ganz erfüllt von ihren Erlebnissen eilte sie in die Pulteney Street – federnden Schritts, wie sie annahm, obgleich sie darüber bisher noch nie nachgedacht hatte. Den beleidigten Freunden begegnete sie auf dem Weg nicht mehr; und nun, nach diesem Sieg auf der ganzen Linie, da ihr Ziel erreicht und ihr Spaziergang gesichert war, überkamen sie (als der freudige Taumel sich legte) auf einmal Zweifel, ob sie wirklich vollständig im Recht war. Ein Opfer war in jedem Fall etwas Edles; und hätte sie ihren Bitten nachgegeben, dann wären nun nicht eine Freundin gekränkt, ein Bruder erzürnt, ein Plan, der ihnen beiden viel bedeutet hätte, zunichte gemacht, und all das womöglich durch ihre Schuld. Um ihr Gewissen zu beruhigen und ein unparteiisches Urteil über ihr Verhalten zu erlangen, erwähnte sie ganz gezielt vor Mr. Allen, mit was für Plänen für den nächsten Tag ihr Bruder und die Thorpes sich trugen. Mr. Allen sprang sofort darauf an. »Aha«, sagte er, »und möchten Sie auch mitfahren?«
»Nein, ich hatte mich gerade schon mit Miss Tilney zum Spazierengehen verabredet, als sie es mir erzählt haben, deshalb könnte ich gar nicht mehr mit – oder?«
»Nein, auf gar keinen Fall; und ich bin froh, daß Sie es nicht möchten. Diese Pläne taugen überhaupt nichts. Junge Männer und Frauen, die im offenen Wagen durch die Landschaft kutschieren! Ab und zu mag das wohl angehen; aber gemeinsam Gasthöfe und andere öffentliche Orte aufsuchen! Das gehört sich nicht, und es wundert mich, daß Mrs. Thorpe es erlaubt. Ich bin froh, daß Sie nicht mitfahren wollen; Mrs. Morland würde so etwas bestimmt nicht gutheißen. Mrs. Allen, sehen Sie es nicht ganz genauso? Verurteilen Sie solche Einfälle nicht auch?«
»O ja, unbedingt. Offene Wagen sind etwas Abscheuliches. Ein sauberes Kleid bleibt darin keine fünf Minuten sauber. Spritzer beim Einsteigen, Spritzer beim Aussteigen, und der Wind zerrt einem das Haar und die Haube in alle Richtungen. Ein offener Wagen ist ein Unding für mich.«
»Das weiß ich, aber das meine ich nicht. Sieht es für Sie nicht auch merkwürdig aus, wenn junge Damen sich ständig von jungen Herren herumkutschieren lassen, mit denen sie nicht einmal verwandt sind?«
»Ja,
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