Northanger Abbey
schwachköpfigen Mann belästigt, der mich zum Tanzen genötigt und mich dann mit seinem Unsinn gepeinigt hat.«
»So etwas schreibe ich ganz bestimmt nicht.«
»Darf ich Ihnen sagen, was Sie dann schreiben sollten?«
»Wenn Sie so nett sein wollen.«
»Habe mit einem äußerst liebenswürdigen jungen Mann getanzt, der mir von Mr. King vorgestellt wurde; habe mich bestens mit ihm unterhalten – ein außerordentlich kluger Kopf, wie mir scheint – hoffe sehr, ihn näher kennenlernen zu dürfen.
Das
, gnädiges Fräulein, hätte
ich
gern dort stehen.«
»Aber vielleicht führe ich ja gar kein Tagebuch.«
»Und vielleicht sitzen Sie auch nicht hier in diesem Raum, und ich sitze nicht neben Ihnen. Daran ließe sich dann ebenso zweifeln. Kein Tagebuch führen! Wie sollen Ihre fernen Kusinen denn ohne ein Tagebuch jemals ermessen, wie Ihr Leben in Bath abläuft? Wie wollen Sie die Artigkeiten und Komplimente eines jeden Tages ordnungsgemäß wiedergeben, wenn Sie sie nicht Abend für Abend in einem Tagebuch festhalten? Wie wollen Sie sich Ihre diversen Kleider merken, wie soll dem speziellen Leuchten Ihres Teints und den Ringeln in Ihrem Haar in ihrer ganzen Vielfalt Gerechtigkeit widerfahren, wenn Sie nicht jederzeit auf ein Tagebuch rekurrieren können? – Mein liebes gnädiges Fräulein, ich bin nicht so unbewandert in den Gepflogenheiten junger Damen, wie Sie mich gerne hätten; es ist die treffliche Gewohnheit des Tagebuchführens, die maßgebend zur Herausbildung jenes leichthändigenSchreibstils beiträgt, für den die Damen gemeinhin gerühmt werden. Alle Welt ist sich einig, daß die Gabe, schöne Briefe zu schreiben, eine typisch weibliche sei. Die Natur wird ihre Hand im Spiel gehabt haben, das wohl, aber ich bin überzeugt, daß ihr die Praxis des Tagebuchschreibens ein wichtiger Helfer war.«
»Ich weiß gar nicht«, sagte Catherine zögernd, »ob Frauen wirklich so viel schönere Briefe schreiben als Männer. Ich meine, immer sind die unsrigen vielleicht auch nicht die besseren.«
»Nach den Einblicken, die mir bisher vergönnt waren, scheint mir der Briefstil der Damen gemeinhin untadelig, bis auf drei kleine Punkte.«
»Und welche Punkte sind das?«
»Allgemeine Inhaltsleere, ein komplettes Desinteresse an Zeichensetzung und eine sehr häufige Unkenntnis der Grammatik.«
»Oh! Da hätte ich das Kompliment also ruhig annehmen können. Zu gut denken Sie in dieser Sache bestimmt nicht von uns.«
»Ich würde es genausowenig zur Regel erheben wollen, daß Frauen bessere Briefe schreiben als Männer, wie daß sie bessere Duette singen oder bessere Landschaften malen. In jeder Fertigkeit, bei der es auf den Geschmack ankommt, sind die Talente relativ gleich zwischen den Geschlechtern verteilt.«
Sie wurden von Mrs. Allen unterbrochen: »Meine liebe Catherine«, sagte sie, »zieh doch bitte diese Nadel da aus meinem Ärmel; ich fürchte, sie hat schon ein Loch hineingerissen; das wäre mir sehr arg, denn es ist fast mein Lieblingskleid, obwohl der Meter nur neun Shilling gekostet hat.«
»Genau das hätte ich auch geschätzt, Madam«, sagte Mr. Tilney, der den Musselin betrachtete.
»Ach, kennen Sie sich mit Musselin aus, Sir?«
»Bestens, ich kaufe mir meine Halstücher immer selberund gelte als ein großer Experte; sogar meine Schwester überläßt die Auswahl ihrer Kleider bisweilen mir. Erst neulich habe ich ihr eins ausgesucht, und sämtliche Damen, die es gesehen haben, fanden es einen ausgemachten Glückskauf. Ich habe nur fünf Shilling für den Meter bezahlt, und es war echter indischer Musselin.«
Mrs. Allen war tief beeindruckt von seinem Genie. »Männer haben für gewöhnlich so wenig Sinn für solche Dinge«, klagte sie. »Mr. Allen bringe ich nicht mal dazu, eins meiner Kleider vom anderen zu unterscheiden. Sie müssen Ihrer Schwester eine große Stütze sein.«
»Das hoffe ich, Madam.«
»Aber sagen Sie doch, Sir, wie finden Sie Miss Morlands Kleid?«
»Sehr hübsch«, sagte er und begutachtete es mit ernster Miene, »aber ich weiß nicht, ob es sich so gut waschen läßt; ich fürchte, es zerschleißt.«
»Wie können Sie so …«, fragte Catherine lachend, »so …« – fast hätte sie gesagt: seltsam sein.
»Ich bin ganz Ihrer Meinung«, erwiderte Mrs. Allen, »und das habe ich Miss Morland auch gesagt, als sie es gekauft hat.«
»Aber wissen Sie, Madam, irgendeine Verwendung findet sich für Musselin immer; Miss Morland wird genug davon übrigbehalten, daß es für
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