Northanger Abbey
hätte der General es nur zugelassen; aber wenn es etwas gab, worauf der General sich etwas einbildete, dann seine Gesinderäume: er war sich sicher, einer jungen Dame vom Formate Miss Morlands könne ein Blick auf die Unterkünfte und die Annehmlichkeiten, die ihren Untergebenen das Leben leichter machten, nie unwillkommen sein – weshalb er so frei war und die Führung noch ein wenig fortsetzte. Eine kurze Besichtigung folgte, und Catherine war wider alles Erwarten beeindruckt von der Vielfalt und Zweckmäßigkeitdessen, was sie sah. Die Tätigkeiten, für die in Fullerton ein paar primitive Vorratskammern und eine triste Spülküche ausreichen mußten, wurden hier in großzügigen und bequemen Räumen verrichtet, ein jeder exakt auf seine Funktion zugeschnitten. Aber ähnlich eindrucksvoll wie die Zahl ihrer Räume war auch die der Dienstboten, die kamen und gingen. An allen Ecken und Enden knicksten Mädchen in Holzpantinen vor ihnen, verdrückten sich Lakaien im Hausrock. Und so etwas sollte eine Abtei sein! – Wie gewaltig unterschied sich dieser Haushalt von denen in ihren Büchern, von all jenen noch viel größeren Abteien und Burgen, in denen die gesamte Schmutzarbeit von zwei Paar Frauenhänden bewältigt wurde – wenn es denn so viele waren. Mrs. Allen war immer verblüfft gewesen, daß sie das alles schafften; und als Catherine nun sah, wieviel hier benötigt wurde, regte sich auch in ihr leise Verblüffung.
Sie kehrten in die Eingangshalle zurück, wo als nächstes die Haupttreppe erklommen und die Schönheit ihres Holzes wie auch das reichverschnörkelte Schnitzwerk hervorgehoben sein wollte; oben angelangt, kehrten sie der Galerie, von der Catherines Zimmer abging, den Rücken und betraten eine andere, ganz ähnlich geschnittene, nur daß sie viel länger und breiter war. Hier wurde sie in drei große nebeneinanderliegende Schlafgemächer mit dazugehörigen Ankleidekammern geführt, alle sehr nobel und vollständig ausgestattet; was immer Geld und Geschmack leisten konnten, um einem Raum Eleganz und Komfort zu verleihen, war hier geleistet worden, und da sie in den letzten fünf Jahren eingerichtet worden waren, hatten sie alles, was gemeinhin Gefallen erregen mußte, und nichts, was Catherine gefiel. Im letzten der drei wandte sich der General, nachdem er leichthin ein paar der hochgestellten Persönlichkeiten aufgezählt hatte, die sie über die Jahre beehrt hätten, mit lächelnder Miene an Catherine und gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß unter den nächsten Bewohnern auch »unsere Freunde aus Fullerton«sein würden. Mit einem solchen Kompliment hätte sie niemals gerechnet, und es bedrückte sie, daß sie nicht besser denken konnte von einem Mann, der so gütig zu ihr war und so wohlwollend gegen ihre ganze Familie.
Am Ende der Galerie war eine Flügeltür. Miss Tilney, die voranging, hatte sie geöffnet und durchschritten und wollte es gerade bei der ersten Tür linker Hand in einer nächsten langen Galerie ebenso machen, als der General sie mit ein paar raschen Schritten hastig und, wie Catherine meinte, recht ärgerlich zurückrief und zu wissen verlangte, wo sie hinwolle. – Was es denn noch zu sehen gebe? – Ob denn Miss Morland nicht schon alles gesehen habe, was der Beachtung wert sei? – Und ob sie nicht meine, ihre Freundin wäre nach so viel Bewegung froh um eine kleine Erfrischung? Miss Tilney machte auf der Stelle kehrt, und die schwere Tür schloß sich vor der enttäuschten Catherine, der ein flüchtiger Blick durch den Spalt einen schmaleren Korridor, zahlreichere Türöffnungen und die Andeutung einer Wendeltreppe gezeigt hatte, so daß sie endlich all das in Reichweite glaubte, was wahrhaft ihrer Beachtung wert wäre, und, während sie widerwillig den Weg durch die Galerie zurückging, deutlich fühlte, daß sie lieber dieses Ende des Gebäudes erkunden wollte als all den Prunk des restlichen Hauses sehen. – Das unverkennbare Bestreben des Generals, eine solche Erkundung zu verhindern, spornte sie zusätzlich an. Etwas wurde hier ganz eindeutig vertuscht; ihre Vorstellungskraft, mochte sie in letzter Zeit auch ein-, zweimal übers Ziel hinausgeschossen sein, konnte sie darin nicht fehlleiten; und was dieses Etwas war, schien sich in einer kurzen Bemerkung von Miss Tilney anzudeuten, während sie dem General in einigem Abstand die Treppe hinunter folgten: »Ich wollte Ihnen das Zimmer meiner Mutter zeigen … das Zimmer, in dem sie gestorben ist«. Mehr sagte sie nicht;
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