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Northanger Abbey

Northanger Abbey

Titel: Northanger Abbey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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doch diese wenigen Worte sprachen für Catherine Bände. Kein Wunder, daß der General zurückscheute vor dem, was ihn in diesem Raumerwarten mußte – einem Raum, den er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr betreten hatte, seit darin jenes Entsetzliche geschehen war, das seine Frau von ihren Leiden erlöst und ihn seinen Gewissensqualen überlassen hatte.
    Als sie sich das nächste Mal mit Eleanor allein fand, fragte sie ganz mutig, ob sie das Zimmer wohl irgendwann sehen dürfe, und den Rest des Trakts auch; und Eleanor versprach sie dorthin zu begleiten, sobald der Zeitpunkt einmal günstig sei. Catherine begriff – der General mußte weit genug vom Haus entfernt sein, bevor dieses Zimmer betreten werden konnte. »Es ist nichts darin verändert worden, nehme ich an?« sagte sie gefühlvoll.
    »Nein, gar nichts.«
    »Und wie lange ist es her, daß Ihre Mutter gestorben ist?«
    »Sie ist jetzt neun Jahre tot.« Und neun Jahre, das wußte Catherine, waren nichts verglichen mit der Zeit, die nach dem Tod einer mißhandelten Ehefrau üblicherweise verstrich, bevor man ihr Zimmer anrührte.
    »Sie waren ja sicher bis zum letzten Moment bei ihr?«
    »Nein«, erwiderte Miss Tilney mit einem Seufzen, »ich war zu der Zeit leider fort von daheim. – Ihre Krankheit war plötzlich und kurz; und bevor ich zu Hause ankam, war schon alles vorüber.«
    Catherine überlief es kalt bei den grauenvollen Folgerungen, die solche Worte naturgemäß nach sich ziehen mußten. War das die Möglichkeit? – Konnte Henrys Vater …? – Und doch, wie zahlreich waren die Anzeichen, die noch den schwärzesten Verdacht rechtfertigten! – Und als sie ihn abends, während sie mit ihrer Freundin über ihrer Handarbeit saß, eine volle Stunde in stummem Brüten im Salon auf und ab gehen sah, die Lider gesenkt, die Stirn gefurcht, verließ sie jegliche Angst, sie könnte ihm unrecht tun. Das waren Gebaren und Haltung eines Montoni 30 – Welch klareren Beweis gab es für die Düsternis eines Geistes, in dem der letzte Funken Menschlichkeit noch nicht erloschen war undder voll Grauen Rückschau auf vergangene Szenen der Schuld hielt? Der Unselige! – Und so häufig lenkten ihre bangen Überlegungen ihren Blick in seine Richtung, daß Miss Tilney es bemerkte. »Mein Vater«, flüsterte sie, »geht oft so im Zimmer auf und ab; das ist bei ihm nichts Ungewöhnliches.«
    Um so schlimmer! dachte Catherine; dieser ungelegene Bewegungsdrang paßte zu den seltsamen morgendlichen Spaziergängen und verhieß nichts Gutes.
    Nach einem Abend, dessen Monotonie und scheinbare Endlosigkeit ihr aufs neue bewußtmachten, welche Lücke Henrys Abwesenheit riß, war sie herzlich froh, entlassen zu werden, auch wenn der Blick des Generals, der seine Tochter zur Glocke sandte, eindeutig nicht für Catherines Augen bestimmt war. Als allerdings der Butler seinem Herrn die Kerze anzünden wollte, hielt dieser ihn davon ab. Er habe noch nicht vor, sich zurückzuziehen. »Ich muß noch viele Pamphlete zu Ende lesen«, verkündete er Catherine, »ehe ich meine Augen schließen darf, und werde vielleicht noch Stunden, nachdem Sie schon selig schlummern, über den Angelegenheiten der Nation brüten. Könnte etwas sinniger sein?
Meine
Augen erblinden im Dienste meiner Mitmenschen, während die
Ihren
sich ausruhen für künftige Missetaten.«
    Doch weder die Pflicht, die er ins Feld führte, noch das glänzende Kompliment vermochten Catherine davon zu überzeugen, daß hinter einer so herben Beschneidung einer ordentlichen Nachtruhe nicht etwas völlig anderes steckte. Sich mit öden Pamphleten quälen, noch Stunden, nachdem der Rest der Familie zu Bett gegangen war – wer machte das? Etwas anderes mußte ihn antreiben; er mußte etwas planen, das nur getan werden konnte, wenn das ganze restliche Haus schlief; und welchen anderen Schluß ließ das zu als den, daß Mrs. Tilney noch lebte, aus unbekannten Gründen eingekerkert 31 und von den mitleidlosen Händen ihres Gatten allnächtlich mit ein paar Essensbrocken versorgt? So unerhört der Gedanke auch war, besser als ein mit unredlichen Mittelnbeschleunigter Tod schien er jederzeit, zumal sie ja, wenn alles seinen rechten Gang ging, in Kürze befreit werden würde. Die Plötzlichkeit ihrer angeblichen Krankheit; die Abwesenheit ihrer Tochter und im Zweifel auch der anderen Kinder zum entscheidenden Zeitpunkt – all das sprach für ihre Gefangenschaft. – Den Grund dafür – Eifersucht vielleicht oder auch mutwillige

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