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Northanger Abbey

Northanger Abbey

Titel: Northanger Abbey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Austen
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wie ihn der Mensch für sein inneres Gleichgewichtbraucht. Sie glaubte fest – fast immer –, daß Henry sie liebte, und so gut wie immer, daß sein Vater und seine Schwester sie liebten und sogar eine engere Verbindung wünschten; und bei soviel Glaubensfeste konnten ihre Zweifel und Ängste nicht mehr sein als spielerische Anfechtungen.
    Henry konnte den Damen nicht so ausschließlich in Northanger zur Verfügung stehen, wie ihm sein Vater dies für die Dauer seiner Londonreise verordnet hatte; sein Hilfspfarrer in Woodston war anderweitig verpflichtet, weshalb er sich gezwungen sah, sie am Samstag für zwei Nächte allein zu lassen. Sein Fehlen schlug nicht so zu Buche wie im Beisein des Generals; es dämpfte zwar ihren Übermut, aber es verminderte nicht ihr Behagen; und die beiden Mädchen, einträchtig beschäftigt und immer vertrauter im Umgang, kamen so gut miteinander aus, daß es elf Uhr wurde, eine sehr späte Stunde für die Abtei, ehe sie am Tag von Henrys Aufbruch das Speisezimmer verließen. Sie waren gerade die Treppe hinaufgestiegen, als sie durch die dicken Mauern hindurch zu hören meinten, wie draußen eine Kutsche vorfuhr, und im nächsten Moment bestätigte der schrille Lärm der Hausglocke ihre Mutmaßung. Nach einem ersten verwirrten Stutzen und einem »Gütiger Himmel, was ist passiert?« kam Eleanor rasch zu dem Schluß, daß es ihr ältester Bruder sein mußte, der oft so plötzlich, wenn auch nicht zu ganz so unchristlicher Stunde, auftauchte, und so eilte sie hinunter, um ihn zu begrüßen.
    Catherine, die weiterging in ihr Zimmer, wappnete sich so gut sie konnte für eine nähere Bekanntschaft mit Captain Tilney; denn auch wenn sie den schlechtesten Eindruck von seinem Benehmen hatte und insgeheim überzeugt war, daß er viel zu standesbewußt sei, um über sie nicht die Nase zu rümpfen, mußte sie ihm doch wenigstens nicht unter Vorzeichen gegenübertreten, die ihr die Begegnung zur Pein machten. Miss Thorpe würde er bestimmt nicht erwähnen – da er sich seiner Rolle bei der Sache inzwischen sicherlich schämte,sah sie da keine Gefahr; und solange alle Anspielungen auf Bath unterblieben, glaubte sie die Form durchaus wahren zu können. Über solchen Erwägungen verging die Zeit, und es sprach ja wohl für ihn, daß Eleanor sich so über ihn freute und sich so viel mit ihm zu erzählen hatte, denn fast eine halbe Stunde war seit seiner Ankunft verstrichen, und Eleanor kam immer noch nicht wieder nach oben.
    In diesem Augenblick meinte Catherine ihre Schritte in der Galerie zu hören und lauschte, ob sie näher kämen, doch es war alles still. Kaum hatte sie jedoch ihre Einbildungskraft zur Ordnung gerufen, als ein Geräusch ganz dicht vor ihrer Tür sie zusammenschrecken ließ; fast war es, als berührte jemand den Türstock – und noch einen Augenblick später bewies ein zaghaftes Rucken des Türknaufs, daß eine Hand sich darum schloß. Sie zitterte ein wenig bei dem Gedanken, daß jemand so vorsichtig heranschlich, aber fest entschlossen, nicht noch einmal irgendwelchen haltlosen Angstvorstellungen nachzugeben oder sich von einer überhitzten Phantasie ins Bockshorn jagen zu lassen, ging sie leise hin und öffnete. Es war Eleanor, niemand als Eleanor. Catherines Erleichterung währte freilich nur Sekunden, denn Eleanors Wangen waren bleich, und sie war sichtlich erregt. Daß sie hereinwollte, daran konnte es keinen Zweifel geben, und doch schien es eine Überwindung für sie, das Zimmer zu betreten, und als sie einmal herinnen war, eine noch größere Überwindung zu sprechen. Catherine, die glaubte, ihre Beklemmung habe mit Captain Tilney zu tun, konnte ihr Mitgefühl nur durch stumme Aufmerksamkeiten bekunden – zog sie auf einen Sitz, besprengte ihr die Schläfen mit Lavendelwasser und umsorgte sie mit liebevoller Beflissenheit. »Liebe Catherine … nicht doch … nein, das kann ich nicht zulassen …«, waren Eleanors erste zusammenhängende Worte. »Mir fehlt nichts. Soviel Freundlichkeit quält mich – ich ertrage es nicht – bei einer Nachricht, wie ich sie bestellen muß!«
    »Eine Nachricht – für mich?«
    »Wie soll ich es nur sagen! – oh, wie soll ich es Ihnen nur sagen?«
    Ein neuer Gedanke schoß Catherine durch den Kopf, und indem sie so bleich wie ihre Freundin wurde, stieß sie hervor: »Es ist ein Bote aus Woodston!«
    »Sie irren, nein«, erwiderte Eleanor und sah sie voller Mitleid an, »es ist niemand aus Woodston. Es ist mein Vater selbst.« Ihre

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